Freies Radio, das auch mal irritiert

Freies Radio, das auch mal irritiert

Am 4. Juni 1977 fing alles an. Zwölf Minuten lang war die Sendung von "Radio Verte Fessenheim" , es war die Zeit von Wyhl, die Geburtsstunde der deutschen
Umweltbewegung. Man wollte "Gegenöffentlichkeit" schaffen; fühlte sich von den "bürgerlichen Medien" nicht repräsentiert. Es begann ein jahrelanges Katzund-
Maus-Spiel mit der Polizei. Die Behörden jagten die Schwarzsender mit Hubschraubern und Peilwagen, die Rundfunkpiraten gingen in den Untergrund. Ulf Fiedler war dabei. Der Emmendinger zählt zu den Urgesteinen des Senders. "Der Anfang war sehr popelig" , erinnert er sich, "wir waren mit einfachsten Sendern
irgendwo in der Pampa." Entwickelte aber auch seine Tricks: Einmal strahlte man die Sendung gleichzeitig aus dem Elsass und vom Kandel aus und sorgte für Verwirrung bei
den Besatzungen der Peilwagen. "Bei allem Idealismus war aber auch noch etwas anderes wichtig" , sagt RDL-Pressesprecher Andreas Reimann: "Der Spaßfaktor."
1981 benannte sich "Radio Verte Fessenheim" in "Radio Dreyeckland" um, sendete legal aus dem Elsass. Man wollte aber mehr — das Ergebnis war der Freiburger
"Radiofrühling" 1985. RDL sendete aus Freiburg, ohne Lizenz — die gab es erst zwei Jahre später, nach einer Novellierung des Landesmediengesetzes. Das Ergebnis:
Polizeieinsätze und Großdemonstrationen, RDL-Vordenker Karlheinz Grieger wurde mehrfach verhaftet.
"Die Gruppenidentität ist bei einem Piratensender natürlich viel stärker als in einer legalen Situation" , sagt Reimann. "Das hat auch dazu geführt, dass es im Radio heute eine größere Heterogenität gibt als früher." Mittlerweile gibt es rund 150 Mitarbeiter, die in rund 80 Redaktionen organisiert sind und in 14 Sprachen senden, es gibt eine Schwule Welle, eine Linke Presseschau, einen Knastfunk, das Radio Handicap, aber auch die Musik-Sendungen "Brüllen und Bratzen" und "Bionic Beat Club."
Und es gibt die "Antis" , die Grundsätze, die im Redaktionsstatut festgelegt sind. Antisexismus, Antirassismus, Antifaschismus, Antinationalismus, unter anderem. Sie helfen, den Sender zusammenzuhalten, in einer Zeit, in der sich vieles verändert hat. "Es gibt nicht mehr diese große verbindende Theorie, was man mit der Gesellschaft anstellen soll, das bildet sich auch im Radio ab" , sagt Andreas Reimann, der Soziologie und Philosophie studiert hat. "Vielleicht nimmt das auch eine gewisse Schlagkraft — oder vermittelt den Eindruck, dass RDL bürgerlichergeworden wäre."{mosimage}{mosimage}

Der Kampf um ausreichende Fördermittel

 Nicht nur die "Linke" hat sich gewandelt, auch die Medienlandschaft befindet sich gerade in einem Umwälzungsprozess. Das wirft Fragen auf: Wofür braucht man einen freien Radiosender, wenn Gegenöffentlichkeit auch online herzustellen ist? "Es ist ein Unterschied, ob ich Radio auf einer festen Frequenz sende oder ob ich
Podcasts ins Internet stelle" , sagt Reimann. "Für mich jedenfalls gehört es zum freien Radio dazu, dass es überrascht — und auch mal irritiert."

Aktuellste Neuerung bei RDL: Ein Sendestudio in Lörrach — am Rheinknie teilt sich der Sender mit dem Schopfheimer "Radio Kanal Ratte" eine Frequenz. Auch an dieser Front wird gekämpft: Die Landesanstalt für Kommunikation zahlte weniger Fördermittel aus, als man bei RDL erwartet hatte. Auch das Verhältnis zu den
"Kanalratten" könnte besser sein: Die werfen RDL vor, Fördergelder zu kassieren, ohne dabei Bürgermedien und Ausbildung vor Ort zu fördern — was aber Bedingung für die Förderung ist. RDL wiederum argumentiert, "Kanal Ratte" wolle bei der Landesanstalt für Kommunikation gut Wetter machen — auf Deutsch: Beim Staat.
— 30 Jahre Radio Dreyeckland, heute, Samstag, E-Werk, Freiburg. Gala-Abend ab 19.30 Uhr, Jubiläumsparty ab 23
Badische Zeitung Online - Freies Radio, das auch mal irritiert  http://www.badische-zeitung.de/popup/nachrichten/kultur/37,51-1555...
2 von 2 11.06.2007 07:06 Uhr. http://www.rdl.de