Referendum Türkei: Denken in verschiedenen Welten

Denken in verschiedenen Welten

Am Ostersonntag wird in der Türkei gewählt. In einem Referendum soll das Volk über eine Reihe von Verfassungsänderungen abstimmen. Die meisten Änderungen laufen auf eine Konzentration der Macht in den Händen des Präsidenten hinaus. Das Amt des Ministerpräsidenten wird abgeschafft. Der Präsident ernennt künftig die Minister, die nur ihm verantwortlich sind. Kann Ministerien nach Gutdünken gründen oder abschaffen. Er kann jederzeit das Parlament auflösen. Er kann sich zum Parteichef wählen lassen, während er bisher zur politischen Neutralität verpflichtet war. Als Parteichef bestimmt er, wer auf die Wahllisten für das Parlament kommt. Der Präsident kann weitgehend mit Dekreten regieren. Er hat großen Einfluss auf die Justiz. So wird das für Disziplinarverfahren und Beförderungen zuständige Gremium der Justiz künftig mit 13 Personen besetzt, von denen der Präsident 6 bestimmt. 7 weitere bestimmt das Parlament. Doch da er auf dieses als Parteichef in Zukunft auch direkten Einfluss nehmen kann, ist das nur ein schwaches Hindernis bei der Beeinflussung der Justiz. Dazu wurde in die Verfassungsänderung heimlich eine Fußangel für RichterInnen eingebaut, die man nicht so leicht erkennt. Richterinnen und Richter sollen in Zukunft nicht nur unabhängig, sondern auch unparteiisch sein. Das klingt nach einer selbstverständlichen Forderung, ist aber im Grunde die Abschaffung der Unabhängigkeit. Denn wer bestimmt, wann eine Entscheidung unparteiisch ist? Das ist wohl mit Absicht noch nicht geregelt worden, damit das Volk auf keinen Fall sieht, wohin der Hase läuft. Doch sehr wahrscheinlich wird es das ohnehin für Disziplinarfragen zuständige Gremium sein, nämlich jener Rat der Richter und Staatsanwälte, auf dessen Zusammensetzung der Präsident künftig entscheidenden Einfluss haben wird.

Über das Referendum und die Auswirkungen auf die deutsche Gesellschaft sprach auf Einladung des Migrantinnen und Migrantenbeirats am 30. März der Journalist und Politologe Ismail Küpeli im Freiburger Grünhof. Wir haben bereits Ausschnitte aus der Diskussion gesendet. Nun ein weiterer interessanter Ausschnitt. Es geht um die Schwierigkeiten sowohl hierzulande als in der Türkei, ein Gespräch über Erdogans Politik zu führen.

Erwähnt wird die größte Oppositionspartei, die CHP. Sie wird häufig als sozialdemokratisch etikettiert, hat aber auch tiefe Wurzeln im Kemalismus des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk. Außerdem wird die prokurdische HDP erwähnt und ein Anschlag auf eine Friedensdemonstration in Ankara im Oktober 2015 bei dem über 100 Menschen starben. Die Spuren wiesen Richtung Islamischer Staat IS, doch für Erdogan ist das allenfalls ein kleiner Teil der Wahrheit. Diese Wahrheit ist ein ganzes Bündel von dem was man auch Verschwörungstheorien nennt.