Verbot der „soulèvements de la terre“ in Frankreich: Anti-Separatismus-Gesetz soll Umweltbewegung zum Schweigen bringen

Anti-Separatismus-Gesetz soll Umweltbewegung zum Schweigen bringen

Am 21. Juni hat der Ministerrat in Paris das von der Agrarlobby, dem konservativen Bauernverband FNSEA und der Renaissance-Regierung geforderte Verbot der Umweltbewegung „les soulèvements de la terre“ (Aufstand der Erde) umgesetzt. Am Tag zuvor hatte es eine weitere landesweite Anti-Terror-Operation der SDAT (sous-direction antiterroriste) gegeben, bei der insgesamt 18 Menschen verhaftet wurden. Konkret wird den Linken eine Beteiligung an den Protesten in Sainte-Soline beziehungsweise die Sabotage des Baustoffriesen Holcim/Lafarge vorgeworfen.

In einem Schnellverfahren wurde am Donnerstag eine Person zu 10 Monaten Haft verurteilt. Der in Montiers nahe dem ostfranzösischen Bure verhaftete Loic S. wurde nach einer Anhörung in Niort in Untersuchungshaft in den Knast von Poitiers verbracht. Ein Großteil der AktivistInnen befinden sich in Levallois-Perret in Gewahrsam der Terrorabwehr-Direktion, weitere sind in der Region Marseille in provisorischer Haft. Schon Anfang Juni hatten die Terrorabwehr-Behörden ebenfalls eine landesweite Razzia durchgeführt und 15 Menschen vorübergehend festgenommen. Die angeblichen Mitglieder der „soulèvements“ werden seither vom Staat auch öffentlich als „kriminelle Vereinigung“ gehandhabt.

Mit Demonstrationen in 150 Städten reagierte die Bewegung gegen diesen weiteren repressiven Schlag des Darmanin Innenministeriums, das zuvor über Monate Stimmung gegen die Umweltbewegung gemacht hatte. Eine Auflösung der Kampagne „soulèvements de la terre“ forderte der Innenminister bereits am 28. März, nachdem die Proteste gegen Wasserrückhaltebecken der Agrarindustrie im westlich gelegenen Sainte-Solineam 25. März zu schweren Ausschreitungen geführt hatten. Bei einer Demonstration gegen die Privatisierung des Grundwassers, an der sich bis zu 30.000 Menschen beteiligten, war es am 25. März zu schweren Ausschreitungen gekommen. Seit 2021 hat die Kampagne „Aufstand der Erde“ landesweit zehntausende Menschen mobilisiert, um „das Lebendige gegen die Agrarindustrie zu verteidigen“.

Während der Kampagne gab es eine Vielfalt an Aktionen, die sich gegen Luxusunternehmen, Baustoffkonzerne und Akteure der Agrarlobby wendeten. Neben Landbesetzungen im Jura, Autobahnblockaden bei Toulouse und „wildem Herbsten“ in der Provence fanden auch Beschädigungen industrieller Gärtnereien in der Bretagne und Sabotageaktionen beim Zementriesen Lafarge in Gennevilliers und bei Marseille auf dem Programm. Lafarge steht wegen Zusammenarbeit mit der Terrororganisation Islamischer Staat international in der Kritik und wurde deshalb im vergangenen Jahr in den USA zu 778 Millionen $ Strafe verurteilt. Am vergangenen Wochenende gingen 2.000 Polizeikräfte an der italienischen Grenze mit äußerster Gewalt gegen eine zuvor verbotene Demo vor, die gegen den Bau der Schnellzugtrasse Lyon-Turin protestierte.

Aus Sicht des Online-Magazins Reporterre steht der Bauernverband FNSEA federführend hinter dem Verbotsverfahren gegen „les soulèvements“. Die Agrarlobby hatte, wie so oft, Druck auf Abgeordnete und Regierungsmitglieder gemacht und mit Konsequenzen gegen UmweltaktivistInnen und den Kleinbauernverband Conféderation Paysanne gedroht, sollte die Regierung untätig bleiben. 130.000 Organisationen und Einzelpersonen unterzeichneten bisher einen Aufruf mit dem Titel „Wir sind der Aufstand der Erde“. In einer Mitteilung rufen die „Freund_innen des Aufstands der Erde“ zu Solidaritätsbekundungen auf. Für den 27. und 28. Juni sind international Aktionen und Demonstrationen geplant. (ls)