Flüchtlingsräte nehmen Stellung zu angeblichem BAMF-"Skandal": Was ist daran suspekt, dass politisch Verfolgte auch tatsächlich anerkannt werden?

Was ist daran suspekt, dass politisch Verfolgte auch tatsächlich anerkannt werden?

Nach dem von NDR, Süddeutscher Zeitung und Radio Bremen hochgeschriebenen "Skandal" um die Außenstelle des Bundesamts für Flüchtlinge und Migration (BAMF) in Bremen haben die Flüchtlingsräte von Bremen und Niedersachsen Stellung genommen.

Der mittlerweile vom Dienst suspendierten Leiterin der Außenstelle wird vorgeworfen, "in etwa 2000 Fällen Asyl gewährt" zu haben, "obwohl die rechtlichen Voraussetzungen dazu nicht gegeben waren". Diese vielfach wiederholte Formulierung suggeriert, die betroffenen Asylsuchenden hätten eigentlich keine Asylgründe gehabt. Tatsächlich bestreitet jedoch kaum jemand, dass die materiellen Asylgründe dieser Asylsuchenden - hauptsächlich JesidInnen - vorlagen. Ihre systematische Verfolgung in Syrien und im Irak durch den IS wird allgemein anerkannt.

Vielmehr geht es den Medienberichten zufolge um formale Fragen wie darum, ob immer Fingerabdrücke genommen wurden oder welches Bundesland zuständig gewesen wäre. Dahinter wiederum steht die Frage, ob Deutschland sich mal wieder über die Dublin-Regelung um die Verantwortung für diese Asylverfahren hätte drücken können. Die europaweite Fingerabdruck-Datenbank dient wesentlich dem Ziel festzustellen, ob Geflüchtete sich zuerst in einem anderen europäischen Land aufgehalten haben und damit dieses Land für das Asylverfahren zuständig wäre. Das Dublin-Verfahren ist im Prinzip die gesamteuropäische Umsetzung der deutschen Asylrechtsaushöhlung von 1993.

Die Regelung wird jedoch immer wieder von Gerichten infrage gestellt, da in mehreren europäischen Ländern ein menschenwürdiges Leben für Flüchtlinge nicht sichergestellt ist - so in Bulgarien. Dass eine jesidische Frau mit drei Kindern, die aus Niedersachsen nach Bulgarien hätte abgeschoben werden sollen, von der BAMF-Außenstelle Bremen einen Schutz zugesprochen bekam, ist kein Skandal, sondern entspricht der Rechtsprechung des niedersächsischen Oberlandesgerichts Lüneburg, wie der Flüchtlingsrat Niedersachsen darlegt. Der niedersächsische Innenminister Pistorius hätte sich also nicht über die Bremer BAMF-Entscheidung beschweren müssen, sondern darüber, dass in seinem eigenen Land die Fälle wohl nicht sorgfältig geprüft werden.

"Ein tatsächlicher Skandal sind die unterschiedlichen Anerkennungsquoten in den Bundesländern, denn es gibt keinen Zweifel daran, dass Jesid*innen im Irak und Syrien verfolgt werden und damit international schutzberechtigt sind", so der Flüchtlingsrat Bremen.

Auch die nun so skandalisierte Übernahme von Asylanträgen aus anderen Bundesländern sei ab 2016 aufgrund der hohen Antragszahlen eine häufige Praxis gewesen, so der Flüchtlingsrat Niedersachsen.

"Die brutalen Änderungen am Asylgesetz der letzten Jahre und die Verwaltungspraxis des BAMF haben das Grundrecht auf Asyl ... unbrauchbar gemacht", resümiert der Flüchtlingrat Bremen. "So beschränkt sich das Asylverfahren mehr und mehr auf die Ausführung von Regelwerken, deren Ziel es ist, systematisch Ablehnungen trotz vorliegender Gefährdungen und Verfolgung zu produzieren - anstatt Menschen davor zu schützen."