"Nett hier, aber waren sie schon mal obdachlos?": Verdrängung aus der Selbstverwaltung im Zinklern

Verdrängung aus der Selbstverwaltung im Zinklern

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Drei Transparente hängen an einer Schnur zwischen Bäumen auf dem Platz der Alten Synagoge. Darauf stehen Parolen gegen Reiche und für den Erhalt der Bäume sowie Baustopp im Zinlern.
...auch bei einer Mahnwache zeigen die Bewohnende aus dem Zinklern auf Platz der Alten Synagoge Präsenz.
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Quelle: 
JR Photography / RDL

Im südlichen Teil von Lehen hinter dem „Parc and Ride“-Parkplatz an der Haltestelle Paduaallee soll der Stadtteil um ein Neubaugebiet erweitert werden. Auf den Flächen entlang der Straße „Im Zinklern“ sollen Wohnhäuser, eine Kindertagesstätte und Gewerbeflächen für einen Discounter erschlossen werden. Derzeit sind dort landwirtschaftliche Flächen wie Maisacker, Streuobstwiesen und Maschinenstellplätze angesiedelt. Zwischen den Bäumen und Büschen stehen seit geraumer Zeit mehrere Hütten und Wohn-/Bauwägen, in denen rund 10 Personen bis vor Kurzem gelebt haben. Diese Menschen haben die ungenutzten Flächen als Möglichkeit gesehen Wohnraum alternativ zu Miet- und Eigentumswohnungen zu erschaffen. Einige unter Ihnen haben keine Lust oder schlechte Erfahrungen mit herkömmlichen Wohnformen gemacht, andere können oder wollen sich die Freiburger Mietpreise nicht leisten.

Durch das Baugebiet soll nun eine Straße für Bauarbeiten gezogen werden, die später zur Verkehrsader der Siedlung wird. Baustart für die Gebäude ist jedoch erst in etwa anderthalb Jahren. Trotzdem sollen zu Beginn der Rodungssaison anfang Oktober auch hier Bäume gefällt und die Wägen und Hütten von den Grundstücken entfernt werden. Die Menschen müssen dafür gehen. Viele von ihnen stehen vor der nahezu unmöglichen Aufgabe auf dem privaten Wohnungsmarkt eine Bleibe zu finden. Ohne festen Job, eine Bürgschaft oder Bekanntschaften in Wohngemeinschaften ist Stigmatisierung bei der Wohnungssuche an der Tagesordnung und die Suche nach einer Bleibe wird so zur Unmöglichkeit. Und selbst wenn die Leute etwas finden würden, heißt das noch langen nicht, dass sie gerne in Wohnungen leben wollen. Das Wagenleben auf einem Platz im Grünen bietet viel Freiheit und ein hohes Maß an Selbstbestimmung. Auf den beiden offiziell anerkannten Wagenplätzen in Freiburg ist deshalb kein Platz mehr, schon gar nicht für zehn Menschen. Was macht also die Stadt im Kontakt mit den Bewohnenden? Die Anweisung ist klar: Verlasst das Gelände bis Ende September, sodass Rodungen vorgenommen werden können. Wohin die Leute gehen ist nicht Thema der Verfügung. Es fehlt jeglicher Verweis auf Zukunftsperspektiven wie etwa das stadtinternen Referat für alternative Wohnformen oder das Angebot in sozial geförderte Wohnungen unterzukommen. Laut eines Berichts von unserem Gemeinderatskorrespondenten Michael gibt die Stadt an, dass die Menschen Vermittlungshilfe verweigert hätten. Im Gespräch mit den Leuten vor Ort hört sich das jedoch anders an. Ja, man suche schon nach etwas, aber wäre um Möglichkeiten der Unterstützung froh und wünsche sich gerne einen neuen Platz für Wägen und Hütten, so einige Leute vor Ort.

Das Bauprojekt ist ohne Frage wichtig für die Menschen die zukünftig im Zinklern wohnen wollen. Was mit den bisherigen Bewohner*innen passiert scheint der Stadt mindestens egal zu sein. Diese Menschen sind eben nicht legale Mieter* oder Pächter*innen dieser Flächen, daher besteht der Akt der Menschlichkeit aus Sicht der Stadtverwaltung wohl schon darin, die Menschen vorzuwarnen bevor sie gewaltsam geräumt werden. Verdrängung von Wagenleben zugunsten von neuem privaten Wohnraum ist aber auch keine Erfindung der Verwaltung unter OB Horn. Wo die Räumung des Wagenplatzes Rhino im Vauban laut und gewaltvoll war, verschwinden die Leute im Zinklern wohl eher im Stillen. Die Bäume werden gefällt, die Wiesen gemäht und die Menschen vertrieben und allein gelassen. Nett hier, aber waren sie schon mal obdachlos?