Trotz EuGH-Urteil: Svenja Schulze läßt Belieferung belgischer Schrott-Reaktoren zu

Trotz EuGH-Urteil: Svenja Schulze läßt Belieferung belgischer Schrott-Reaktoren zu

Svenja Schulze, Bundes-"Umwelt"-Ministerin, ließ eine Serie von Brennelemente-Lieferungen der deutschen Brennelementefabrik Lingen an das belgische AKW Doel zu, obwohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Weiterbetrieb des AKW nach 2015 für illegal erklärte.

Wenig bekannt ist in Deutschland, daß es in Europa schon mehrfach zum Bruch eines gegebenen Atom-Ausstieg-Versprechens gekommen ist.  So hatte etwa die belgische Regierung am 31. Januar 2003 einen angeblich unumkehrbaren Atom-Ausstieg beschlossen. Doch am 18. Juni 2015 wurde mit einem neuen Gesetz der Atom-Ausstieg in Belgien gekippt und eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten von 40 auf 50 Jahre beschlossen. Die beiden Risse-Reaktoren des AKW Doel, die 1975 in Betrieb gegangen waren und 2015 hätten stillgelegt werden sollen, dürfen daher noch bis 2025 weiterlaufen.

2015 wurde jedoch verabsäumt, die gesetzlich vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung und die dabei unumgänglichen Anhörungen durchzuführen. Atomkraft-GegnerInnen hatten wegen dieses Versäumnisses geklagt. Und nun hatte am 29. Juli der Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschieden, daß der Weiterbetrieb seit 2015 illegal war. Allerdings ließen die EuGH-RichterInnen auch ein Hintertürchen für die belgische Regierung offen.

Nun wurde ausgerechnet am 28. Juli, dem Sonntag vor dem EuGH-Urteil, von der deutschen Brennelemente-Fabrik Lingen noch schnell eine Brennelemente-Lieferung für das AKW Doel auf den Weg gebracht. Nach Recherchen mehrerer Anti-Atomkraft-Initiativen sowie des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW verließen im Juli insgesamt sechs Brennelement-Transporte die niedersächsische Atomfabrik in Richtung Belgien. Die in der Verantwortung von Bundes-"Umwelt"-Ministerin Svenja Schulze erteilten Exportgenehmigungen für 60 Brennelemente ermöglichen den Weiterbetrieb der beiden höchst umstrittenen belgischen Reaktorblöcke für rund zwei Jahre.

"Die jetzigen Informationen legen den Verdacht nahe, daß die sechs Brennelemente-Transporte von Lingen nach Doel im Juli mit großer Eile abgewickelt wurden, um noch bis zur Urteilsverkündung Tatsachen zu schaffen. Warum sollten sonst ausgerechnet an einem Sonntag, nur einen Tag vor der Urteilsverkündung, die letzten Brennelemente Lingen verlassen haben? Warum hat das Bundesumweltministerium dies alles durchgewunken?", fragte Alexander Vent vom Lingener Bündnis AgiEL – AtomkraftgegnerInnen im Emsland. Auch Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen kritisierte das Vorgehen der "roten" Bundesministerin, die ansonsten gerne in Sonntagsreden die Einhaltung des deutschen Atom-Ausstieg-Versprechens beschwört.

Wenn der in Deutschland im Fukushima-Jahr 2011 zum zweiten Mal versprochene Atom-Ausstieg - nachdem er 2010 gebrochen worden war - ernstgemeint wäre, hätte auch der Weiterbetrieb der Brennelementefabrik Lingen und der Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau verboten werden müssen. Auch ein Export-Stop, der zumindest die Belieferung einiger besonders umstrittener Atomkraftwerke untersagt hätte, ist juristisch möglich. Bereits 2017 hatte ein Rechtsgutachten bestätigt, daß ein solcher Export-Stop sowohl für angereichertes Uran als auch für Brennelemente rechtlich problemlos möglich ist. Daraufhin war im "schwarz-roten" Koalitionsvertrag eine "Prüfung" vereinbart worden - wie zu erwarten ohne Ergebnis.

Darüber hinaus wurde dieser Tage publik, daß in Europa eine ganze Reihe weiterer Atomkraftwerke ohne die gesetzlich vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung in Betrieb ist - es handelt sich um mindestens 18 Reaktorblöcke, die offensichtlich illegal am Netz sind. Ob sich damit jedoch eine Chance für die Anti-AKW-Bewegung eröffnet, per Gerichtsurteil eine Stilllegung dieser Meiler durchzusetzen, ist äußerst fraglich. Die RichterInnen des EuGH ließen das Schlupfloch offen, daß die beiden Reaktoren des AKW Doel "vorläufig" in Betrieb bleiben dürften, weil ansonsten die Stromversorgung Belgiens gefährdet sei. Dabei handelt es sich aber um offenkundigen Nonsens, da mehrere Reaktorblöcke in Belgien schon des Öfteren monatelang außer Betrieb waren und Belgien sich in dieser Zeit problemlos mit Strom-Importen versorgen konnte. In Europa ist seit Jahren ein gigantisches Überangebot auf dem Strommarkt festzustellen.