Im Nebel der einseitigen Friedensfreund*innen

Im Nebel der einseitigen Friedensfreund*innen

Unter dem Titel: "Hinter dem Nebel der Kriegspropaganda: Die wirtschaftlichen und politischen Interessen des Westens an der Ukraine" laden Attac Freiburg, DFG-VK und das freiburger friedensforum zu einem Vortrag von Werner Rügemer mit Diskussion in die Hebelschule ein. Zu dem Ankündigungstext möchte ich eine Reihe von Anmerkungen machen. Zunächst der vollständige Text wie er im Tacker zu lesen ist:

 

"Die Ukraine aus einem anderen Blickwinkel Mit einem Mindestlohn von 1,21 Euro, mit seinen äußerst kapitalfreundlichen Arbeitsgesetzen, die die Gewerkschaften völlig aushebeln, kann die Ukraine noch mehr zum Eldorado westlicher Unternehmen werden. Darüber hinaus winken Extraprofite durch den Wiederaufbau, auch für deutsche Firmen. Schon heute ist die Ukraine völlig abhängig von westlichen Krediten in Milliardenhöhe, nach dem Krieg wird sie endgültig zu einem Protektorat westlicher Kapitalinteressen werden. Was bedeutet dieser Krieg also für die große Mehrheit der einfachen Menschen in der Ukraine? Was wird aus der Ukraine nach dem Krieg, wenn BlackRock und die JP Morgan Bank den Wiederaufbau bestimmen?"

 

Zu diesem Text einige kritische Anmerkungen:

„Mindestlohn 1,21“: Bei welchem Kurs umgerechnet? Nach dem ersten russischen Angriff 2014/15 ist die ukrainische Währung stark eingebrochen. Nach dem zweiten Angriff wurde der Devisenhandel ganz eingestellt. Schon vor dem Krieg war die Währung des Landes mit schwelendem Konflikt mit der Atommacht Russland stark unterbewertet, weshalb das nominale Einkommen in Dollar umgerechnet um den Faktor 3,5 niedriger lag als die Kaufkraft der Landeswährung. Daraus würde sich in heimischer Kaufkraft ein Mindestlohn von 4,26 € ergeben. Ganz allgemein: Wieviel Mühe haben sich Menschen aus der deutschen Friedensbewegung gegeben, je mit Linken aus der Ukraine zu reden oder überhaupt mit ukrainischen Flüchtlingen?

 

„Darüber hinaus winken Extraprofite durch den Wiederaufbau, auch für deutsche Firmen.“ Soll das heißen, dass Deutschland deshalb Waffen liefert, damit der Krieg länger dauert und noch mehr zerstört wird? Hat man im Verteidigungsministerium nicht verstanden, dass Luftabwehrwaffen in der Ukraine genau das sind, was die deutsche Bauindustrie jetzt am allerwenigsten brauchen kann? Sorry für den polemischen Ton, vielleicht soll es ja etwas anderes heißen. Doch der Unterton, dass es nicht um die Verteidigung der Ukraine gegen einen brutalen Überfall durch die zweitstärkste Militärmacht der Erde, sondern um deutsche Profitinteressen geht, ist nun mal drin.

 

„Schon heute ist die Ukraine völlig abhängig von westlichen Krediten in Milliardenhöhe,“ Ja warum wohl? Hängt es vielleicht damit zusammen, dass die Wirtschaft der Ukraine durch den Überfall um rund 40 % eingebrochen ist, dass 7 Mio. Menschen fliehen mussten, dass Gebiete besetzt, Infrastruktur zerstört wurde, ganze Landstriche vermint, Häfen blockiert, Fabriken zerstört, Getreidesilos zerstört, Getreide und Maschinen gestohlen wurden etc. Gleichzeitig musste nun mal der früher eher bescheidene Verteidigungsetat auf über 40 % der staatlichen Ausgaben steigen. Da braucht man natürlich Kredite und die kommen halt nicht aus Moskau oder Peking, sondern meistens von westlichen Staaten oder westlich beeinflussten Organisationen. Es sind hier sicher nicht die privaten Banken, die sich gesundstoßen. Den Risikoaufschlag für ein Land im Krieg könnte die Ukraine nie und nimmer bezahlen.

 

 „nach dem Krieg wird sie endgültig zu einem Protektorat westlicher Kapitalinteressen werden.“ Für die edlen Absichten westlicher Kapitaleigner (oder von Kapitaleignern insgesamt) möchte ich natürlich nicht meine Hand ins Feuer legen. Aber wieder gibt es einen sehr lauten Subtext: „Dieser Krieg wird nur wegen westlicher Kapitalinteressen geführt“. Okay und über Putins Imperialismus schweigen wir?! „Protektorat“ kommt zwar von „Schutzgebiet“ hat aber natürlich den Anklang Kolonie, denn das waren Protektorate normalerweise. Ich vermute mal dass das Wort nicht zufällig gewählt wurde, weil derzeit tatsächlich darüber diskutiert wird, wie die Ukraine nach einem Ende des derzeitigen Krieges geschützt werden kann. Das wird dann mit dem Wort „Protektorat“ zusammengebracht und flopp denkt man an die üble Absicht. Aber vielleicht ist das ja zu weit gedacht. Doch wie kann man von einem „Protektorat westlicher Kapitalinteressen“ sprechen und gleichzeitig davon schweigen, dass Putin gerade vier Provinzen in der Ukraine annektiert hat, zusätzlich zur bereits vorher annektierten Krim? Die Leute werden von staatlichen Leistungen abgeschnitten und ihnen wird zumindest teilweise mit Enteignung gedroht, wenn sie keine russischen Pässe annehmen. Aber reden wir doch lieber mal über westliche Kapitalinteressen.

 

„Was bedeutet dieser Krieg also für die große Mehrheit der einfachen Menschen in der Ukraine?“ Die Antwort ist einfach: 7 Mio. Flüchtlinge, Tod, Angst, dass in der Nacht eine Rakete ins Haus schlägt, Angst um Angehörige, verstümmelte Körper, Wut auf die Invasoren. Frage beantwortet?

Der Kommentar gibt die persönliche Meinung des Redakteurs wieder.

jk