Großfeier in Notre-Dame-des-Landes zum Ende des Flughafenprojekts: Die ZAD hat gesiegt! Für ihr Fortbestehen bleiben aber Fragen offen.

Die ZAD hat gesiegt! Für ihr Fortbestehen bleiben aber Fragen offen.

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Am Samstag fand in Frankreich eine Grossfeier auf der sogenannten ZAD von Notre-Dame-des-Landes statt, einer Landbesetzung in der Nähe von Nantes. Anlass für die Feier war der endgültige Sieg der Protestbewegung gegen das Projekt eines internationalen Grossflughafens. Zwar hatte der französische Premier Edouard Philippe Mitte Januar völlig überraschend verkündet, die Regierung werde das Projekt endgültig zurückziehen. Doch es blieb bis Samstag rein theoretisch noch möglich, dass sich die Regierung umentscheidet.

Denn just am Samstag lief die sogenannte Gemeinnützigkeitserklärung für das Bauvorhaben aus. Mit diesem offiziellen Dokument von 2008 durfte der Baukonzern Vinci die Bauarbeiten binnen zehn Jahre starten. Diese Entscheidung hatte eine neue Welle von Protesten und Landbesetzungen auf dem Projektgebiet ausgelöst, die die Bauarbeiten erfolgreich blockieren konnten. Nach zehn Jahren ohne nennenswerten Spatenstich lief die Gemmeinnützigkeit wie gesagt am Samstag aus.

Wenn die Behörden oder der Konzern den Flughafen nun doch noch bauen wollten, müssten sie damit wieder ganz von vorne beginnen, eine Reihe neuer Gutachten und Verträglichkeitsprüfungen in Auftrag geben und eine neue Gemeinnützigkeitserklärung beantragen. Das ist so arbeits- und zeitintensiv, dass es als ausgeschlossen gilt.

Die ZAD-Bewohner feierten also ihren endgültigen Sieg gegen den Flughafen. Wie üblich klafften die Teilnehmerinnenzahlen der Präfektur mit denen der Veranstalter auseinander. So war je nach Quelle von etwa neun bis vierzig Tausend Menschen die Rede, die sich in Notre-Dame-des-Landes versammelten. Laut der Tageszeitung "Le Monde" waren mehr Busse aus ganz Frankreich angereist als zu den Höchstzeiten des Widerstands in der ZAD gegen polizeiliche Räumungsversuche. Darunter seien auch viele Menschen gewesen, die zum ersten Mal in der ZAD zugegen waren. Medienberichten zufolge kamen auch Menschen aus Spanien, Italien und Deutschland angereist.

In Karnevalsstimmung liefen die Menschen mit grossen Figuren von bedrohten Amphibierarten, die im Feuchtgebiet der ZAD heimisch sind. Sie verbrannten ein grosses Holzflugzeug als Symbol für den gescheiterten Flughafenprojekt und eine Puppe, die Innenminister Gérard Collomb darstellte.

Doch dieser Sieg wirft nun viele Fragen auf für die ZAD und ihre Bewohnerinnen, und manche von ihnen könnten in den nächsten Wochen doch noch zu den Verlierern zählen. Es geht buchstäblich um die Landfrage und gleichzeitig um die Haltung zur staatlichen Rückeroberung des Gebiets. Diese offenen Zukunftsfragen sind der Protestbewegung durchaus bewusst, und so war das Motto der Feier am Samstag nicht etwa "Wir haben gesiegt", sondern der viel bedächtigere Slogan "Lasst uns die Zukunft verwurzeln". Diesem Motto getreu brachten die Teilnehmer Bäume mit, die auf der ZAD gepflanzt werden sollen. Und am Sonntagnachmittag waren alle Menschen, die länger bleiben konnten, zu einer Diskussion über die Zukunft der ZAD eingeladen.

In Frankreich nennen sich die Besetzerinnen der ZAD selbst Zadistes, im Deutschen werden wir eher Bezeichnungen wie ZAD-Besetzerinnen benutzen, um keine Missverständnisse zu wecken.

Zu den ganz dringenden Fragen gehört die Zukunft der ZAD-Besetzerinnen, die sich dauerhaft auf der ZAD niedergelassen haben und auch nach dem Ende des Protests vor Ort bleiben wollen. In den Medien ist die Rede von etwa 250 Menschen, die das Land dauerhaft besetzen. Manche beackern es, andere haben Werkstätte oder kleine Läden eröffnet. Als die Regierung Mitte Januar den Rückzug des Flughafenprojekts ankündigte, machte sie gleichzeitig deutlich, dass sie den Landbesetzern bis Ende März Zeit gibt, ihre Situation zu regularisieren oder auszuziehen. Bis zum 31. März gilt in Frankreich nämlich die winterliche Zwangsräumungspause. Ab Anfang April könnten die Behörden also polizeilich intervenieren.

Ein Dutzend Bauern gehören seit jeher zum harten Kern der Protestbewegung und liessen sich nicht enteignen. Für sie stellt sich die Landfrage nicht wirklich. Andere Bäuerinnen liessen sich enteignen, bewirtschafteten aber mit prekären Pachtverträgen ihr Land weiter, weil das Flughafenprojekt 50 Jahre lang nicht voranschritt. Sie wollen ihr Land zurückerhalten.

Das Land schliesslich, das von hinzugezogenen ZAD-Aktivistinnen besetzt wird, gehört aktuell formell meist dem Staat. Dieses Land kam aber meistens erst durch die Enteignung von Bauern zum Zweck des Flughafenbaus in die öffentliche Hand. Hier stellt sich die Landfrage akut.

Manche Aktivistinnen, die dieses Land erfolgreich gegen den Flughafenbau verteidigt haben, teilweise seit Jahren bewohnen, und sich ihre Zukunft in Notre-Dame-des-Landes vorstellen, wollen natürlich nicht von heute auf morgen verjagt werden. Sie hoffen auf die Unterstützung der gesamten Protestbewegung für ihr Anliegen. Manche Bäuerinnen, die sich enteignen liessen, wollen nun vielleicht ihr Recht geltend machen, ihr Land zurückzubekommen. Noch unklar ist, welche Lösung die Regierung für die Verteilung des enteigneten Landes beabsichtigt. In Beiträgen auf der ZAD-Webseite vermuten Gruppen von Aktivistinnen, dass der Staat die örtliche Landwirtschaftskammer über die Verteilung des Ackerlandes entscheiden lassen will. In der Landwirtschaftskammer würde sich dann ein Kräfteverhältnis abspielen zwischen dem mächtigen konventionnellen Grossbauernverband FNSEA und dem ökologischen Kleinbauernverband Confédération Paysanne, der Mitglied im internationalen Verband Via Campesina ist und die ZAD unterstützt.

Eine Lösung, die offenbar von vielen Menschen aus der ZAD-Bewegung und von der gerade genannten Confédération Paysanne unterstützt wird, ist das sogenannte Larzac-Modell. Auf der Larzac-Hochebene in Südfrankreich entstand in den 1970er Jahren ebenfalls eine Protestbewegung, die die ZAD inspirierte. Dort hatte die örtliche Bevökerung, Bauern und Pazifistinnen gegen die Erweiterung einer Militärbasis protestiert. Auch dieser Protest war schliesslich erfolgreich. Das Larzac-Modell, auf den sich der Staat und die Protestbewegung in den 1980er Jahren dort einigten, ging so: Die Protestbewegung gründete eine Gesellschaft zur Verwaltung von Ackerland; Der Staat übergab dieser Gesellschaft das enteignete Land als kollektives Eigentum. Die Protestbewegung konnte damit selbst über die Verteilung des Landes entscheiden. Eine ähnliche Lösung wollen offenbar viele ZAD-Aktivistinnen auch aushandeln.

Eine letzte Konfliktlinie besteht zwischen Menschen, die vor allem gegen den Flughafenbau waren und nun eine verhandelte Lösung mit dem Staat akzeptieren, und dem Teil der Protestbewegung, der radikal gegen eine Rückeroberung der ZAD durch den Staat ist und für die absolute Selbstverwaltung dieses Gebiets ist. Die meisten Bewohnerinnen der ZAD akzeptierten etwa die Beseitigung der Hindernisse, die sie in den vergangenen Jahren zum Schutz vor polizeilichen Grosseinsätzen auf einer Landstrasse angebracht hatten. Nur ein Dutzend ZAD-Bewohner haben die Rodungsarbeiten auf der zubewachsenen Strasse und der Fahrbahnerneuerung gestört.

(mc)