8. März Istanbul: Feministinnen trotzen Demonstrationsverbot

8. März Istanbul: Feministinnen trotzen Demonstrationsverbot

Am Abend des 8. März scheiterte der Versuch eine feministische Nachtdemonstration im Zentrum Istanbuls völlig zu verhindern. Um die Frauen nicht auf den zentralen und symbolisch bedeutenden Taksim-Platz kommen zu lassen, hatte der Gouverneur kurzerhand ein Demonstrationsverbot für den ganzen Stadtbezirk Beyoglu zwischen dem Bosporus und dem Goldenen Horn erlassen. Beyoglu umfasst etwa 9 km². Penibel listete die Verfügung des Gouverneurs auf, was in Beyoglu am 8. März verboten sein sollte. Als da sind: „Versammlungen, Märsche, Presseerklärungen, Sitzproteste, das Eröffnen von Ständen, der Aufbau von Zelten, das Verteilen von Bekanntmachungen und andere Tätigkeiten, die gegen die Gesetze verstoßen“ – so wörtlich.  

Eine wichtige U-Bahnlinie wurde stillgelegt und demonstrationsverdächtige Frauen, wurden bereits auf der anderen Seite des Bosporus festgenommen als sie an einem Anlegeplatz auf einen Dampfer warteten. Die um den Taksim-Platz und in Seitengassen aufgestellte Polizei konnte zwar die friedlichen Demonstrantinnen am Vordringen zum Taksim hindern, aber nicht dass in den Straßen darum eine sehr lebendige Nachtdemonstration mit Transparenten und Redebeiträgen stattfand. Die Demonstrantinnen riefen Parolen wie „Morde an Frauen sind politisch“ und „Wir schweigen nicht, wir fürchten uns nicht, wir gehorchen nicht!“

 

Die Polizei versuchte vergeblich das Verlesen einer Erklärung zu verhindern. In der Erklärungen kritisierten die Frauen unter anderem den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention. Die Konvention des Europarates, die vor 11 Jahren in Istanbul erstmals unterzeichnet wurde, ist ein detailliertes Vertragswerk, das Maßnahmen zum Schutz von Frauen vor Gewalt vorsieht und Maßnahmen zur Gleichberechtigung und Chancengleichheit beinhaltet. Zum Beispiel wird die Einrichtung von Frauenhäusern verlangt. Jahrelang hat die Regierung Erdogan die Konvention als fortschrittliches Aushängeschild gebraucht. Doch am 20. März 2021 - kurz nach Mitternacht - unterschrieb der Staatspräsident Tayyip Erdogan einen Erlass mit dem er den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention erklärte. Der staatsrechtlich umstrittene Akt führte zum tatsächlichen Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum 1. Juli 2021.

Die Istanbul-Konvention und zahlreiche Femizide waren auch ein Hauptthema auf zahlreichen anderen 8. März-Demos in der Türkei wie zum Beispiel bei einer weiteren Nachtdemo in Ankara, die ebenfalls mit Behinderungen durch die Polizei zu kämpfen hatte.