Wegen Gezi-Protesten Haft bis zum Tod gefordert

Wegen Gezi-Protesten Haft bis zum Tod gefordert

In einem Prozess gegen Mitglieder des Zivilgesellschaft, denen vorgeworfen wird, die Proteste gegen die Überbauung des zentralen Gezi-Parkes in Istanbul organisiert zu haben, hat die Staatsanwaltschaft für Osman Kavala und Ayşe Mücella Yapıcı erschwerte lebenslange Haft gefordert. Die "erschwerte lebenslange Haft" ist praktisch ein Ersatz für die abgeschaffte Todesstrafe und bedeutet, dass der oder die Verurteilte auch bei schwerer Krankheit nicht begnadigt werden kann und also das Gefängnis nur auf einer Totenbare wieder verlassen kann. Den beiden Angeklagten wird der Versuch vorgeworfen, die Regierung der Türkischen Republik "unter Anwendung von Zwang und Gewalt" zu stürzen. Sechs weiteren Angeklagten wird vorgeworfen, die beiden Hauptangeklagten bei diesem Versuch unterstützt zu haben. Für sie forderte die Staatsanwaltschaft Gefängnisstrafen zwischen 15 und 20 Jahren.

 

Osman Kavala ist Vorsitzender der von ihm gegründeten Stiftung für die Kultur Anatoliens (Anadolu Kültür Vakfi), die die Vielfalt der Kulturen in der Türkei fördert und auch Geschichtsaufarbeitung unterstützt (Völkermord an den Armenier*innen!!). Außerdem ist Kavala Gründungs- und Direktoriumsmitglied der Open-Society-Foundation von George Soros. Weil Soros jüdischer Abstammung und sehr erfolgreicher Geschäftsmann ist, lassen sich bequem antisemitische Verschwörungstheorien knüpfen. Auch der Präsident der Türkei, Tayyip Erdogan schlägt hin und wieder in diese Kerbe und hat Kavala als "Soros-Überbleibsel der Türkei" geschmäht.

 

Auf ein faires Verfahren dürfen die Angeklagten nicht hoffen. Als Kavala bei einem früheren Termin mangels Beweisen freigesprochen wurde und der Richter folgerichtig die Entlassung von Osman Kavala aus der Untersuchungshaft, in der er sich seit 2017 ununterbrochen befindet, anordnete brauchte der Staatsanwalt nur so lange bis Kavala am Gefängnistor war, um eine völlig neue Anklage zu erfinden. Gegen den Richter, der seine Freilassung angeordnet hatte, wurde eine Untersuchung eingeleitet. Weil die Türkei ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, in dem die sofortige Freilassung von Kavala aus der Untersuchungshaft gefordert wird wie auch im Falle des kurdischen Politikers Selahattin Demirtaş seit Jahren ignoriert, steht die Türkei im Europarat unter Druck. Dass Erdogan deshalb Sanktionen zu fürchten hat, ist jetzt nachdem Putin die Ukraine überfallen hat, noch unwahrscheinlicher geworden.

jk