Ende November 2017 hat das russische Ermittlungskomitee angekündigt, die Erschießung der Zarenfamilie durch die Bolschewiki vor fast 100 Jahren zu untersuchen und zu klären, ob es sich dabei um einen Ritualmord handelte. Eine abstruse Hypothese mit eindeutigen antisemitischen Anklängen, die aber nun von einer "Expertenkommission" geprüft werden soll. In diese Kommission sollen neben Historikern auch Geistliche der Russischen Orthodoxen Kirche aufgenommen werden und insgesamt ist die Kirche in die neuen "Ermittlungen" stark involviert, da lässt es nichts Gutes erwarten, dass die Mehrheit einer eigenen "Expertenkommission" der Kirche von der Ritualmordthese überzeugt sind.
Darüber, woher das Interesse der Kirche für das Thema kommt, was es mit der Ritualmordthese auf sich hat und wie sich die Kirche 100 Jahre nachder Russischen Revolution in der Geschichtspolitik engagiert, sprachen wir mit Margarete Zimmermann, deren Artikel "Einheit und Versöhnung: Die Orthodoxe Kirche und die Erinnerung an die Revolution" im aktuellen Band der Zeitschrift Osteuropa erschienen ist.