Hausdurchsuchungen bei Radio Dreyeckland waren rechtswidrig

Hausdurchsuchungen bei Radio Dreyeckland waren rechtswidrig

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Polizei und Karlsruher Staatsanwaltschaft in den RDL Räumen am 17.01.2023
Landgericht lässt Anklage gegen RDL-Redakteur nicht zu
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Das Karlsruher Landgericht hat mit Beschluss vom 22.08.2023 letztinstanzlich entschieden, dass die Hausdurchsuchungen gegen Radio Dreyeckland rechtswidrig waren.

„Die Freiheit der Medien ist – ebenso wie die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit – schlechthin konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung“, führt das Landgericht in seinem Beschluss aus und erteilt damit erneut eine juristische Ohrfeige an die Karlsruher Staatsanwaltschaft und das dortige Amtsgericht, das die Durchsuchungen ohne ausreichende Prüfungen durchgewunken hatte.

„Bereits als die Polizei bei mir in der Wohnung stand, war ich der festen Überzeugung, dass diese Aktion nicht rechtmäßig sein kann. Gut, dass das nun endlich auch gerichtlich festgestellt wurde“, erklärt RDL Redakteur Fabian Kienert, dessen kurze sachliche Meldung über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit dem Verbot der Internetplattform Indymedia Linksunten Auslöser für die Ermittlungen war.

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe behauptet, der Beitrag sei „Propaganda“ für die verbotene „Vereinigung" linksunten.indymedia und stelle damit einen Verstoß gegen das Vereinigungsverbot dar.

Am 17.01.2023 wurde nicht nur die Wohnung des Redakteurs, sondern auch die Wohnung von Andreas Reimann, dem Verantwortlichem im Sinne des Presserechts für die Webseite rdl.de, und die Redaktionsräume von Radio Dreyeckland durchsucht. All das war rechtswidrig. „In meiner Livesendung wurde ich von der Polizei aufgefordert nicht zu Straftaten aufzurufen. Die Gerichtsentscheidung verdeutlicht, dass nicht Radio Dreyeckland, sondern die, die meine Sendung störten, es mit dem geltenden Recht nicht so genau nehmen“, kommentiert RDL-Redakteurin Meike Bischoff, die während der Durchsuchung das Morgenradio gestaltete.

„Die Staatsanwaltschaft hat bei den Durchsuchungen die Rundfunkfreiheit völlig außer Acht gelassen – ein rechtsstaatliches Armutszeugnis“, kritisiert David Werdermann, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die Radio Dreyeckland in dem Fall unterstützt. „Dieses rabiate Vorgehen sendet fatale Signale – die auch die erfreuliche Gerichtsentscheidung zur Rechtswidrigkeit der Durchsuchungen nicht rückgängig machen kann.“

Das Karlsruher Landgericht führt nun aus, dass die Durchsuchungen unverhältnismäßig gewesen seien. Es kritisiert auch den massiven Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung . Insbesondere beeinträchtigten die Durchsuchungen das Redaktionsgeheimnis und die Vertraulichkeit der Informantenbeziehung.

"Das Landgericht schützt mit der Entscheidung vom 22.08. insbesondere kleine Medien wie das Radio Dreyeckland vor unzulässiger Strafverfolgung. Dies ist ein dringend notwendiges Zeichen gegen die zunehmende strafrechtliche Verfolgung linker und alternativer Journalist:innen und Redaktionen", erklärt dazu Dr. Lukas Theune, der Radio Dreyeckland als Rechtsanwalt vertritt.

Unabhängig von der jetzigen Entscheidung und der Vorgabe, dass alle gespeicherten Daten der Journalist:innen gelöscht werden müssen, geht das Strafverfahren gegen Fabian Kienert weiter.

Vermutlich wird die Staatsanwaltschaft zuvor alles dafür unternehmen den fünf FreiburgerInnen, die sie in der Vergangenheit erfolglos für den Betrieb der Internetplattform Indymedia Linksunten verantwortlich gemacht hatte und deren Wohnungen sie am 2. August 2023 schon wieder durchsuchen ließ, nun zu unterstellen mit der Archivseite der Plattform die verbotene Vereinigung fortgesetzt zu haben.

Beim Erlassen der Durchsuchungsbeschlüsse haben sich weder die Staatsanwaltschaft Karlsruhe noch das Amtsgericht mit der Frage beschäftigt, ob ein statisches Archiv überhaupt die Fortsetzung einer verbotenen Open-Posting-Plattform sein kann. Das Landgericht kritisiert das Amtsgericht dementsprechend dafür, dass es nicht ausreichend geprüft habe, „ob die zu unterstützende verbotene Vereinigung zum Zeitpunkt der Unterstützungshandlung tatsächlich bestand“.

Der absurde Schlag gegen die Pressefreiheit ist noch immer nicht beendet. Viele Kontrollinstanzen haben versagt. "Es ist jetzt die wohl letzte Gelegenheit für die Staatsanwaltschaft, sich aus ihrer selbstgewählten Verstrickung im Kampf gegen die Pressefreiheit zu befreien, indem sie endlich ihre Anklage zurücknimmt. Dabei sollte sie, anders als das OLG Stuttgart, auch berücksichtigen, dass Archive, also auch Online-Archive, einen wesentlichen weitergehenden grundrechtlichen Schutz genießen!" sagt Michael Menzel, Geschäftsführer von Radio Dreyeckland.

Rechtsanwältin Furmaniak, die den Redakteur Fabian Kienert in dem weiterhin andauernden Strafverfahren verteidigt, zeigt sich zuversichtlich, dass dieses Verfahren mit einem Freispruch enden wird. "Alles andere wäre mit dem Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit nicht vereinbar."

Radio Dreyeckland, 28.08.2023