Die Urheberrechtsreform bis 2021: Handschellen für unser Internet

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Handschellen für unser Internet

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Demonstrationen gegen Artikel 13. Zuvor wurden Gegner der Reform unter anderem als "Bots" bezeichnet.
Demonstrationen gegen Artikel 13. Zuvor wurden Gegner der Reform unter anderem als "Bots" bezeichnet.
Lizenz: 
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Quelle: 
https://unsplash.com/photos/4UTVClfWuEw

Vergangenes Jahr war Artikel 13 in aller Munde. Der Inzwischen auf den Namen Artikel 17 hörende Gesetzesentwurf der EU zur digitalen Reform wird allmählich in die finale Phase gezwungen und es stellt sich die Frage: 

Wird unser Internet bald nicht mehr so frei und uneingeschränkt existieren dürfen wie wir es aktuell genießen?

Ab dem Sommer 2021 muss die digitale Urheberrechtsreform der EU auf nationaler Ebene umgesetzt werden.

Die ursprünglich als Unterstützung für Urheber ins Leben gerufene Gesetzesanpassung entpuppt sich jedoch bereits 2018 als nahezu unmöglich umsetzbar, ohne dabei die Freiheit der Internetnutzung erheblich einzuschränken. Warnungen von Experten und Demonstrationen zu hunderttausenden allein in Deutschland stoßen auf taube Ohren: Die Verantwortlichen im Europäischen Parlament, Europäischen Rat, unserer Bundesregierung und allen voran der CDU-Politiker und Hauptvertreter der Idee, Axel Voss, sehen die Problematik nicht als zu groß und lassen Kritik abblitzen mit Phrasen wie „Wenn etwas schiefgehe, könne man das ja ändern“. (Axel Voss, 2018)

Für Viele ist früh klar: Was hier gefordert wird, ist ohne Uploadfilter nicht umsetzbar.

Uploadfilter: Ein Algorithmus, welcher ohne menschliches Zutun jeden hochgeladenen Inhalt, sei es ein Youtube-Video, ein Twitter-Post oder ein Blog-Kommentar vor dessen Veröffentlichung auf Urheberrechtsverletzungen untersucht.

Klingt unproblematisch, scheitert jedoch an der Realität: Wie etwa soll ein Algorithmus zwischen legaler Parodie und illegaler Dopplung unterscheiden? Wie soll man unrechtmäßige Urheberansprüche umgehen bei einem System, welches erst sperrt und dann fragt? Wie möchte man inhaltsbasierende Filter auf Livestreams anwenden und wie sollen sich kleine Websites einen solchen Filter überhaupt leisten können?

Auch der Datenschutz stellt speziell in Deutschland ein Problem dar, wie Julia Reda, ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments, auf Ihrem Youtube-Kanal klarstellt.

Die Bundesregierung spricht sich 2018 noch klar gegen die Absicht eines Uploadfilters aus. Forderungen des aktuellen Gesetzesentwurfs vom Oktober 2020 lassen sich jedoch ohne entsprechende Filter nicht umsetzen.

Wie schwierig die Umsetzung eines solchen Filters ist zeigt Youtube:

Googles milliardenschwere Video- und Streaming-Plattform besitzt bereits seit 2010 mit „ContentID“ den wohl inzwischen wirkungsvollsten Uploadfilter der Welt. Nichtsdestotrotz gibt es immer noch jährlich tausende gemeldete Fälle, in denen Videos unrechtmäßig gesperrt und erst nach Tagen wieder online gehen dürfen. Solch einen Filter fehlerfrei auf Livestreams, Blogs und andere Ecken des Internets anzupassen dürfte einer Sache der Unmöglichkeit nahekommen.

Zu allem Überfluss profitieren Urheber nicht einmal zwangsläufig von der neuen Richtlinie, wie sie aktuell im Entwurf steht, so Johannes Kuhn, Deutschlandfunk-Korrespondent im Interview mit „Deutschlandfunk Nova“: Grund dafür seien beispielsweise die Machtpositionen einiger Unternehmen im Internet. Wenn eine Suchmaschine wie Google beispielsweise mehr als einen „kurzen Ausschnitt“ (so die Formulierung des Entwurfs) der Inhalte von Verlagen frei zugänglich mache, stünde den Verlagen dafür ein finanzieller Beitrag zu. Wird dieser nun eingefordert, kann sich die Suchmaschine jedoch auch einfach dazu entschließen, Inhalte des Verlages nicht mehr an entsprechenden Positionen anzuzeigen, was wiederum hauptsächlich dem Verlag schaden würde.

Klar ist: Der aktuelle Gesetzesentwurf ist noch weit entfernt davon, dass man ihn allgemein geltend machen sollte. So gut und wichtig die Idee des Urheberschutzes auf der einen Seite auch ist, so schwierig bis absurd sind die aktuellen Pläne auf der anderen.

Leider können wir Nutzer gegen diesen Gesetzesentwurf kaum mehr tun als uns bei den Verantwortlichen, den stellvertretenden Abgeordneten, zu Wort zu melden, was jedoch dadurch umso mehr an Wichtigkeit gewinnt.

 

SB