Rostock-Lichtenhagen: Eine Erinnerungskultur, die nicht ehrlich ist

Eine Erinnerungskultur, die nicht ehrlich ist

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Kien Nghi Ha, 2014, Lizenz: Heinrich-Böll-Stiftung from Berlin, Deutschland, Kien Nghi Ha (14477967513), CC BY-SA 2.0
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Heinrich-Böll-Stiftung

Vom 22. bis zum 25. August 1992 randalierten deutsche Rassisten in Rostock-Lichtenhagen. Erst wurde gegen die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber randaliert, wo hauptsächlich Roma untergebracht waren, als die weg waren, ging es gegen 115 vietnamesische Vertragsarbeiter*innen, die daneben untergebracht waren. Das Pogrom war in lokalen Medien unzweideutig angekündigt, das Fernsehen war beständig zur Stelle, die Polizei hin und wieder mit der einen oder anderen Hundertschaft und im entscheidenden Moment war sie abgezogen und kam erst spät zurück, um die Feuerwehr zu schützen. 115 vietnamesische Vertragsarbeiter*innen, ein ZDF-Team und mehrere Unterstützer*innen wären um haaresbreite in den Flammen umgekommen. Die Regierung Kohl benützte den Aufruhr als Argument, das Asylrecht zu schleifen, die SPD fiel um, die deutschen Anwohner*innen wurden entschädigt, ein paar jugendliche Randalierer erhielten milde Strafen unter anderem wegen Mordversuch. Die Opfer wurden zum großen Teil einfach abgeschoben, die Polizei zeigte zwei Wochen später bei einer friedlichen Protestdemo, dass sie nun wieder rasch mal mit 3000 Beamten vor Ort sein kann, wenn es darauf ankommt.

 

Das ist kurz erzählt die Geschichte des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen. Hatte ich Pogrom geschrieben? "Fremdenfeindliche Ausschreitungen" ist der Titel, unter dem das in der deutschen Erinnerungskultur alle 10 Jahre plötzlich wieder auftaucht, um dann wieder ganz der zwischenzeitlichen Nemesis anheim zu fallen. Radio Dreyeckland sprach mit Kien Nghi Ha, der bereits in einem Aufsatz zum 20. Jahrestag die Realitätsverdrängung in der berühmten deutschen Erinnerungskultur und Erinnerungspolitik dargestellt hat. Kien Nghi Ha ist promovierter Kultur- und Politikwissenschaftler. Er forscht an der Uni Tübingen zu Asian-German-Studies. Kien Nghi Ha fordert auch eine Entschädigung der wirklichen Opfer, inklusive eines Rechtes zur Rückkehr.

 

Für Hörer*innen, die sich mehr für die vietnamesische Community in Deutschland interessieren, sei auf das von Kien Nghi Ha herausgegebene Buch: Asiatische Deutsche. Vietnamesische Diaspora and Beyond. Berlin-Hamburg: Assoziation A, verwiesen, das im vergangenen Jahr neu aufgelegt wurde.

jk