Auf deutschen Druck: Endgültig keine Entschädigung für italienische NS-Opfer

Auf deutschen Druck: Endgültig keine Entschädigung für italienische NS-Opfer

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Festnahme von Zivilisten vor dem Palazzo Barberini nach dem Attentat in der Via Rasella (23. März 1944) . Die 335 festgenommenen Zivilisten wurden daraufhin in den Fosse Ardeatine in Rom ermordet.
Festnahme von Zivilisten vor dem Palazzo Barberini nach dem Attentat in der Via Rasella (23. März 1944) . Die 335 festgenommenen Zivilisten wurden daraufhin in den Fosse Ardeatine in Rom ermordet.
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Von Bundesarchiv, Bild 101I-312-0983-03 / Koch / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5477135

„Nur wer zahlt, meint es ernst.“ Dieser Satz des niederländischen Shoah-Überlebenden Salo Muller trifft den deutschen Umgang mit NS-Opfern insgesamt im Kern. Mittlerweile sprechen deutsche Außenminister oder Präsidenten gern salbungsvolle Worte der Ergriffenheit, doch die ernsthafte Entschädigung für die Opfer und deren Angehörige verweigert die BRD bis heute mit allen Mitteln.

So auch im Falle Italiens. In Kollaboration mit den Faschisten deportierten die Nazis Jüdinnen und Juden auch aus Italien in die Vernichtungslager. Nach dem Waffenstillstand zwischen der italienischen Regierung mit den Alliierten verschleppten sie italienische Soldaten als Zwangsarbeiter, ermordeten Widerstandskämpfer*innen und verübten zahlreiche Massaker an der Zivilbevölkerung.

Nachdem in den 90er Jahren in Italien wichtige Akten über Kriegsverbrechen wieder ausgegraben worden waren, kam eine Reihe von Prozessen ins Rollen und italienische Gerichte verurteilten den deutschen Staat zu Entschädigungen der Opfer. Doch die Bundesrepublik verweigerte nicht nur die Auslieferung der Täter, sondern auch die Entschädigungszahlungen. Dafür reichte sie 2008 sogar am Internationalen Gerichtshof in Den Haag Klage ein. Die Entschädigungsklagen verletzten die deutsche „Staatenimmunität“, so die Argumentation – und dem folgte das Gericht in seinem Urteil von 2012 tatsächlich. Der Kassationsgerichtshof in Rom – der etwa die Funktion des obersten Verfassungsgerichts innehat – akzeptierte dies aber nicht. 2014 entschied er, dass es mit der italienischen Verfassung unvereinbar wäre, wenn die Opfer solcher Verbrechen ihre Menschenrechte nicht geltend machen könnten. Italienische Gerichte fällten also weiter Urteile gegen Deutschland, und da die BRD die Zahlung weiterhin verweigerte, wurde deutsches Eigentum in Italien wie das Goetheinstitut gepfändet. Doch am Ende haben sich wieder die deutschen Interessen durchgesetzt: Im April 2022 erließ die damalige italienische Regierung auf Druck der deutschen Ampel-Regierung ein Gesetzesdekret, das Entschädigungsprozesse gegen Deutschland untersagt, und im Juli 2023 bestätigte der Kassationsgerichtshof entgegen seiner früheren Linie die Rechtmäßigkeit dieses Gesetzes. Damit scheint die Hoffnung auf halbwegs angemessene Entschädigungen endgültig begraben zu sein.

Zu den wenigen Stimmen, die auf diese perfide Wendung hingewiesen haben, gehört der AK Distomo, der sich seit Jahren für die Anliegen von NS-Opfern nicht nur in Griechenland einsetzt. Wir haben mit Martin Klingner vom AK Distomo gesprochen.

Ganzes Interview: 22:47

Leicht gekürzte Version: 17:37