Auch weiterhin UKW-Frequenzen für nichtkommerzielle Anbieter

Auch weiterhin UKW-Frequenzen für nichtkommerzielle Anbieter

Assoziation freier Gesellschaftsfunk

Baden-Württemberg  (AFF)

(Landesverband der Freien Radios)

 

AFF

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Karlsruhe, 25.04.2001

 

 

An die medienpolitischen SprecherInnen

der Landtagsfraktionen von Baden-Württemberg

 

 

Auch weiterhin UKW-Frequenzen für nichtkommerzielle Anbieter

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Stuttgarter Nachrichten vom 20.02.01 meldeten, dass DeutschlandRadio die Frequenz in Heidelberg, die seit Herbst 2000 nichtkommerziell benutzt wird, für sich beansprucht. (siehe Anlage 1)

Die Landesanstalt für Kommunikation (LfK) bestätigte uns diesen Sachverhalt. Die in diesem Vorgang aufgetretenen Formfehler sind inzwischen geheilt. Die Frequenz wird nicht aus ihrem nichtkommerziellen Status herausgenommen.

Auch wenn in diesem Fall keine Gefahr mehr besteht, dass das DeutschlandRadio diese Frequenz bekommt und Rhein-Neckar damit nicht mehr nichtkommerziell versorgt wäre, zeigt dieser Fall, dass DeutschlandRadio für seine zwei Programme, Deutschlandradio und Deutschlandfunk, weitere UKW-Frequenzen in Baden-Württemberg will.

Dass das Deutschlandradio eine bessere UKW-Versorgung will, schreibt das DeutschlandRadio auch in seinem Bericht vom 29.01.01 auf Seite 32 f. (Landtags­drucksache 12/5950)(siehe Anlage 2).

DeutschlandRadio geht davon aus, dass es in der Vergaberangfolge vor den Nichtkommerziellen steht. Wir sehen dies anders. Nur geht dies nicht klar aus dem Landesmediengesetz hervor. Daher bitten wir Sie, eine Forderung, die wir bereits bei der Novellierung des Landesmediengesetzes gestellt hatten, wieder aufzunehmen und sich im Landtag dafür einzusetzen: Nichtkommerzielle Anbieter sollen nach Möglichkeit flächendeckend im Land vertreten sein. Mindestens muss ein Bestandsschutz für die bereits bestehenden nichtkommerziellen Frequenzen im Gesetz festgeschrieben werden. Dies ist besonders in Hinblick auf die neue Lizenzierung der meisten Nichtkommerziellen 2003 wichtig. Damit kann auch weiterhin die Arbeit der Freien Radio, im Bereich Medienpädagogik und Medienkompetzen gesichert bzw. ausgebaut werde und der Zugang der hier lebenden Menschen zum Medium Radio gewährleistet werden. Durch die Gestaltung des Programmes durch hier lebende Menschen verfügen Regionen mit nichtkommerziellen Anbieter über Sender mit starkem Lokalbezug. Informationen über NKLs in Baden-Württemberg finden Sie auch in der LfK-Publikation "Nichtkommerzieller Lokalfunk in Baden-Württemberg".

 

DeutschlandRadio sieht sich nach dem Landesmediengesetz als vorrangig zu behandelnden Anbieter. Im Gegensatz dazu gehen wir davon aus, dass nichtkommerzielle Anbieter vorrangig behandelt werden müssen. Eine klare Formulierung für die eine oder andere Ansicht findet sich im Landesmediengesetz nicht.

Nach der Begründung des Landesmediengesetzes vom 08.02.99 S. 26 f. ist DeutschandRadio berücksichtigt durch § 21 (Rangfolge bei Ausweisung und Zuweisung) Abs. 1 Nr. 5.:

 

“weitere, zumindest auch für Baden-Württemberg gesetzlich bestimmte öffentlich-rechtliche Rundfunkangebote, über deren Rangfolge im Benehmen mit den Landesrundfunkanstalten zu entscheiden ist;”

 

Dies interpretiert DeutschandRadio wohl als Vorrangigkeit für sein Programm.

Gegen die Vorrangigkeit spricht aber, dass in der Begründung vom 08.02.99 vermerkt ist:

 

“Innerhalb der Rangstelle genießen die Programme Vorrang, die einen größeren Beitrag zur Meinungsvielfalt versprechen.”

 

DeutschlandRadio ist mit Sicherheit ein öffentlich-rechtliches Informations- und Kulturprogramm mit grosser Vielfalt. Öffentlich-rechtliches Informations- und Kulturprogramm wird bereits vom SWR geliefert und DeutschlandRadio verbreitet seine Programme bereits über Mittel- bzw. Langwelle. Eine UKW-Frequenz-Vergabe an das DeutschlandRadio würde keine wirkliche Bereicherung im gesamten Spektrum bringen.

Eine stärkere Erweiterung der Vielfalt im UKW-Bereich wird durch die Verbreitung von nichtkommerziellen Anbietern erzielt, weil hier viele Menschen und Initiativen ehrenamtlich eigengestaltete Sendungen produzieren, damit die Sichtweise der hier lebenden Menschen wiedergeben und ein starker Lokalbezug dadurch hergestellt wird.

Die nichtkommerziellen Anbieter sind also als der größere Beitrag zur Meinungsvielfalt zu werten und entsprechend vorrangig zu behandeln.

 

Auch der DeutschlandRadio Staatsvertrag (DLR-StV) spricht für die Vorrangigkeit der Nichtkommerziellen:

 

”§ 3 Technische Übertragungskapazitäten

(1) Die am 1. Juli 1991 genutzten Frequenzen und Satellitenkanäle des Deutschlandfunks, der Programme von RIAS 1 und DS Kultur stehen der Körperschaft zu. Sie hat hierüber sowie über weitere zur Verfügung stehende Übertragungskapazitäten ein Nutzungskonzept mit dem Ziel zu erstellen, eine bundesweit möglichst gleichwertige terrestrische Verbreitung für beide Programme zu erreichen. Weitere Übertragungskapazitäten können nach Maßgabe des Landesrechts zugeordnet werden, ohne dass den Programmen der Körperschaft nach diesem Staatsvertrag ein Vorrang zukommt.”

 

Hier wird in Satz 3 ausdrücklich gesagt, dass den Programmen des DeutschlandRadios kein Vorrang zukommt.

Zu diesem Paragraphen gibt es mehrere Protokollerklärungen; unter anderem die folgende:

 

”Protokollerklärung der Länder Baden-Württemberg und Bayern zu § 3 Abs. 1:
Baden-Württemberg und Bayern weisen hierzu darauf hin, dass dieses Ziel nicht zu Lasten ihrer Landesrundfunkanstalten und privaten Anbieter verfolgt werden kann.”

 

Mit der Protokollerklärung wird für Baden-Württemberg die Nachrangigkeit des DeutschlandRadio ein weiteres mal dargestellt, weil nichtkommerzielle Anbieter als private Anbieter gelten.

Mit Zuhilfenahme der Begründung zum Landesmediengesetz und des DeutschlandRadio Staatsvertrages ergibt sich eine Vorrangigkeit nichtkommerzieller Veranstalter. Eine eindeutige Darstellung im Landesmediengesetz wäre aber hilfreich, um damit auch gerichtlichen Auseinandersetzungen vorzubeugen.

 

Wir bitten Sie daher sich im Landtag dafür einzusetzen, dass nichtkommerzielle Anbieter nach Möglichkeit flächendeckend im Land vertreten sein sollen und einen Bestandsschutz für die bereits bestehenden nichtkommerziellen Frequenzen im Gesetz festzuschreiben.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

                                               Timo Stadler


Anlage 1:

 

Stuttgarter Nachrichten 20.02.01:

 

"Sender schaltet Anwälte ein

Deutschlandradio kritisiert LfK

Stuttgart - Der Streit zwischen dem Deutschlandradio und der Landesanstalt für Kommunikation (LfK) spitzt sich zu. Der Hörfunkveranstalter prüft derzeit rechtliche Schritte gegen die Aufsichtsbehörde.

VON FRANK KRAUSE

Eigentlich ist die Lage klar: Deutschlandradio und Deutschlandfunk, die beiden bundesweit empfangbaren, werbefreien Hörfunkprogramme, müssten laut Gesetz auch im Südwesten überall zu hören sein. Die Realität aber sieht seit Jahren anders aus. Zwar gab es in den vergangenen Monaten zwei neue Frequenzen für den Großraum Stuttgart und Ulm. Aber, so Intendant Ernst Elitz zu unserer Zeitung, 'in Baden-Württemberg gibt es noch immer viele Täler der Ahnungslosen'. Im Klartext: In vielen Regionen sind die Programme nicht zu hören, obwohl die Nachfrage seit

der Existenz des SWR sprunghaft angestiegen ist.

Nun gibt's neuen Ärger mit der LfK. In Heidelberg wurde eine Ukw-Frequenz einem nichtkommerziellen Hörfunkveranstalter zugewiesen (ein Bürgerinitiative-Radio), obwohl laut Gesetz das Deutschlandradio an der Reihe gewesen wäre. Elitz protestierte und bekam nach eigener Aussage die Auskunft, der Privatsender würde 'einen größeren Beitrag zur Meinungsvielfalt leisten' als seine beiden Informationsprogramme. Elitz schaltete die Anwälte ein.

Die LfK wies die Vorwürfe zurück. Es handle sich um eine Frequenz, die dem Deutschlandradio gar nicht zugestanden hätte. Laut Gesetz wären die Privatsender im Land ohnehin gegenüber dem Deutschlandradio vorrangig zu behandeln. Am heutigen Dienstag wird sich auch der Landtag mit dem Thema befassen, wenn er die Haushaltsberichte von ZDF, SWR und Deutschlandradio/Deutschlandfunk diskutiert."


Anlage 2:

 

Berichte des Südwestrundfunks, des Zweiten Deutschen Fernsehens und des DeutschlandRadios über die Finanz-, Haushalts- und Personalkosten­entwicklung in den Jahren

1999 – 2002

 

Bericht des DeutschlandRadios:

S. 32 f.

 

“Allerdings ist das Sendernetz des DeutschlandRadios in einigen Regionen nach wie vor unzureichend, da in den Ländern bei der Zuteilung der wichtigen UKW-Frequenzen unterschiedliche Prioritäten gesetzt werden. Trotz vielfältiger Bekun-dungen der politischen Instanzen, die sich für eine weitere Verbreitung des Qua-litätsradios in Baden-Württemberg einsetzen, ist die zur Unabhängigkeit und zur Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen verpflichtete Landesanstalt für Kom-munikation wenig kooperationsbereit. Gemessen an anderen Bundesländern, in denen schrittweise eine flächendeckende Versorgung für beide Programme des DeutschlandRadios angestrebt wird, erweckt die Landesanstalt für Kommunikation den Eindruck, einseitiger Interessenwahrer des privaten Rundfunks in Baden-Württemberg zu sein. DeutschlandRadio hat seit seiner Gründung im Jahre 1994 die Zahl seiner Frequenzen von damals rund 35 auf inzwischen über 180 erwei-tern können. In Baden-Württemberg dagegen wurde das Sendernetz für Deutsch-landfunk und DeutschlandRadio Berlin seit Gründung der Körperschaft im Jahre 1994 bis 1999 lediglich um insgesamt vier UKW-Sender (je zwei in Stuttgart und Ulm) erweitert. Im Jahr 2000 ist immerhin eine weitere Frequenz für das Programm DeutschlandRadio Berlin in Stuttgart hinzugekommen (87,9 Mhz, 0,5 kw), so dass in der Landeshauptstadt jetzt beide Programme des Deutschland-Radios über UKW empfangen werden können. Dennoch ist dies nach wie vor die geringste Zuwachsrate unter allen vergleichbaren Bundesländern für Deutsch-landRadio Berlin ist Baden-Württemberg das Bundesland mit der schlechtesten Frequenzversorgung überhaupt. Neuester Beleg für die das DeutschlandRadio be-nachteiligende Politik der Landesanstalt für Kommunikation ist die Anhörung zur Änderung der Nutzungsplanverordnung vom 2. August 2000, bei der Deutsch-landRadio zunächst übergangen worden war. Auf unseren Protest und den Verweis auf die Gesetzeslage hat sich die Landesanstalt für Kommunikation inzwischen bereit erklärt, diese Anhörung nachzuholen. Anlass für unsere Intervention ist die Zuweisung der UKW-Frequenz Heidelberg 105,4 MHz, die ursprünglich für das kommerzielle Jugendradio vorgesehen war, an einen anderen nicht-kommerziellen Hörfunkveranstalter. Diese Zuweisung widerspricht der gesetzlichen Rangfolgeregelung in §21 Abs. 1 LMG. Danach muss diese Frequenz dem DeutschlandRadio zugewiesen werden.

DeutschlandRadio bedauert, dass sich die Landesanstalt für Kommunikation in ihrer Frequenzpolitik offenkundig vorrangig als Interessenwahrer des privaten Hörfunks versteht, obwohl sie als Verordnungsgeber Verantwortung für die Rundfunkversorgung im dualen System insgesamt trägt. DeutschlandRadio hat schon mehrfach unter Hinweis auf eine bewährte Praxis in anderen Bundes-ländern vorgeschlagen, Planungen für den Ausbau der Rundfunkversorgung mit den Beteiligten im Vorfeld abzustimmen mit dem Ziel, auf einen gerechten Interessenausgleich nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften hinzuwirken und gleichzeitig Planungsperspektiven zu eröffnen. Das bisher praktizierte Verfahren läuft jedoch darauf hinaus, dass die Landesanstalt für Kommunikation einen Nutzungsplan entwirft, der sich zunächst einseitig an den Interessen des privaten Rundfunks (einschl. denen des nicht-kommerziellen Hörfunks) orientiert und erst wenn diese restlos befriedigt sind, dem DeutschlandRadio Planungs-freigabe erteilt.”