AKW Fessenheim: Anti-AKW-AktivistInnen im Dreyeckland fordern robustes Trockenlager

AKW Fessenheim: Anti-AKW-AktivistInnen im Dreyeckland fordern robustes Trockenlager

Anti-AKW-AktivistInnen im Dreyeckland fordern den Bau eines robusten Trockenlagers mit 1,8 Meter dicken Wänden nach dem Beispiel Lubmin auf dem Gelände des AKW Fessenheim. Hintergrund ist zum einen die für 29. Juni angekündigte Stilllegung des ältesten französischen Atomkraftwerks und zum anderen die Tatsache, daß in unverantwortlicher Weise seit Jahren die angebrannten Brennelemente aus französischen Atomkraftwerken in die desaströse Plutonium-Fabrik La Hague transportiert werden.

Die Plutonium-Fabrik (usine plutonium), die in deutschen Mainstream-Medien meist in orwellschem Sprachmißbrauch als Wiederaufarbeitungsanlage bezeichnet wird, ist einer der weltweit schlimmsten Hotspots der Radioaktivität. Die in der Nähe des AKW Flamanville befindliche Fabrik am Cap de la Hague gibt nach Angaben des 'World Information Service on Energy' (WISE) in Paris 40mal mehr Radioaktivität in die Umwelt ab als alle rund 400 weltweit betriebenen Reaktoren zusammen. Das Risiko, im Umkreis der Anlage an Leukämie zu erkranken ist "statistisch signifikant erhöht", schrieb bereits 1990 das 'British Medical Journal'. Die radioaktiven Abwässer aus La Hague gelangen über den Golfstrom durch den Ärmelkanal in die Nordsee und die Deutsche Bucht. Den Südwesten Norwegens erreichen sie in rund zwölf Monaten. Die Radioaktivität aus La Hague läßt sich bis an der Küste Kanadas und in den arktischen Gewässern bis in eine Tiefe von 200 Metern nachweisen.

Bei der Separierung der verschiedenen radioaktiven Stoffe, die in abgebrannten Brennelementen enthalten sind, werden mechanische und chemische Verfahren eingesetzt. Infolge der radioaktiven Kontamination der eingesetzten Chemikalien entsteht an Volumen 20-mal mehr Müll, als mit den abgebrannten Brennelementen angeliefert wird. Allein durch die Separierung abgebrannter Brennelemente aus deutschen Atomkraftwerken fielen in La Hague bisher rund 50 Tonnen Plutonium an. Bei Plutonium handelt es sich um den gefährlichsten Stoff auf diesem Planeten. Eingeatmet genügt ein Mikrogramm Plutonium, um Lungenkrebs auszulösen.

Für jeden halbwegs verständigen Menschen - ob für oder gegen Atomkraft eingestellt - sollte also leicht nachvollziehbar sein, daß jeder weitere Transport von abgebrannten Brennelementen nach La Hague unverantwortbar ist.

Theoretisch gäbe es neben La Hague einen zweiten Ort, wohin Atommüll aus dem AKW Fessenheim transportiert werden könnte: in ein "Endlager". Doch nach wie vor ist weltweit und auch in Frankreich kein sicherer Ort für ein "Endlager" für radioaktiven Müll in Sicht. Das im lothringischen Bure auf wissenschaftlich äußerst fragwürdiger Grundlage geplante unterirdische Atommüll-Lager steht selbst nach optimistischen Schätzungen nicht vor dem Jahr 2030 zur Verfügung. Daher ist auf absehbare Zeit jeder Abtransport von Atommüll aus dem AKW Fessenheim völlig verantwortungslos.

Bekanntlich werden abgebrannte Brennelemente aus dem AKW Fessenheim zunächst in zwei Naßlagern neben den zwei Reaktorgebäuden abgekühlt. Die Gebäude der sogenannten Abklingbecken sind wegen extrem dünner Außenwände und Leichtbauweise noch stärker bei einem möglichen Terror-Angriff gefährdet als die Reaktorgebäude. Wird die Außenhülle eines solchen Naßlagers des AKW Fessenheim beispielsweise durch Beschuß mit einer Panzerfaust aufgerissen, fließt das Wasser ab und es greift auch kein Notkühlsystem mehr. Brennelemente, die nicht mehr vom Kühlwasser umflossen werden, erhitzen sich auf bis zu 800 Grad Celsius. Sie entzünden sich selbst und Radioaktivität in der Größenordnung eines Vielfachen der Hiroshimabombe gelangt in die Umwelt.

Die französische Atomaufsichtsbehörde ASN hatte im Zusammenhang mit einer Zehnjahresrevision sowie den Post-Fukushima-Maßnahmen als sogenannte Nachrüstungen eine bauliche Verstärkung der Naßlager des AKW Fessenheim angeordnet. Diese Maßnahmen wurden jedoch von der EdF in den vergangenen 9 Jahren nicht umgesetzt. Schon seit Jahrzehnten fordert die Anti-Atom-Bewegung im Dreyeckland eine Verbesserung des Schutzes der Naßlager gegen Terrorangriffe - leider vergeblich.

In Deutschland wurden in der Schröder-Trittin-Ära zwölf von insgesamt 16 Trockenlagern für abgebrannte Brennelemente errichtet. In diesen Hallen befinden sich die Brennelemente in CASTOR-Behältern. Die Wände und Decken dieser Trockenlager sind maximal 80 Zentimeter dick. Dies ist weder ein ausreichender Schutz gegen einen gezielten Flugzeugabsturz nach Vorbild des 11. September 2001 noch gegen Beschuß mit panzerbrechenden Waffen.

Solche panzerbrechenden Waffen sind heute auf dem Schwarzmarkt weltweit ohne weiteres zu beschaffen. Bekanntlich kann mit Hilfe einer Panzerfaust aus einem halben Kilometer Entfernung 70 Zentimeter dicker Panzerstahl durchlagen werden. Eine solche Panzerfaust hat schußbereit - also mit der entsprechenden Rakete bestückt - lediglich ein Gewicht von 13 Kilogramm.

Im Jahr 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht in oberster Instanz dem Trocken-Lager im stillgelegten Atomkraftwerk Brunsbüttel die Genehmigung entzogen, weil es nicht über einen ausreichenden Schutz gegen Terror-Angriffe verfügt (Siehe unseren <a href="akwend150116liz.html" target="_blank">Artikel v. 16.01.15</a>). Aus der Urteilsbegründung folgt, daß sämtliche 16 Atommüll-Trockenlager in Deutschland illegal sind. Daß sie noch genehmigt sind, hat keine sachlichen, sondern nur formaljuristische Gründe: Der Klageweg dort war bereits abgeschlossen, bevor Gerichte über die Klage gegen das Trockenlager Brunsbüttel verhandelten. Immerhin ist in Lubmin (auch: ZL Nord, ZL Greifswald) laut offiziellen Unterlagen seit 2017 geplant, eine neue Lagerhalle für Atommüll in CASTOR-Behältern mit 1,8 Meter dicken Stahlbetonwänden und Decke zu errichten.

Es ist offenkundig, daß der Zustand der beiden Naßlager des AKW Fessenheim noch deutlich riskanter ist als der Zustand der 16 deutschen Trockenlager. Hinzu kommt, daß die abgebrannten radioaktiven Brennelemente in einem Trockenlager zusätzlich zur Außenwand durch die rund 40 Zentimeter dickem  Gußeisen-Wände der CASTOR-Behälter wenigsten über einen Zweibarrieren-Schutz verfügen, während sie in den Naßlagerbecken nur durch die Außenwände von der Umwelt abgeschirmt sind.

Am 27. April berichtete die lokale Monopol-Zeitung über die Forderung nach einem Trockenlager am AKW Fessenheim, nannte in diesem Zusammenhang allerdings lediglich den Namen des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Eberhard Bueb aus Breisach. Außer dem Ex-Bundestagsabgeordenten, der auch schon in den 1980er-Jahren als Atomkraft-Gegner beim gewaltfreien Kampf in Wackersdorf aktiv war, hatten insgesamt sieben Anti-AKW-AktivistInnen aus dem Dreyeckland das Schreiben mit der Forderung nach einem Trockenlager unterzeichnet.

Kurz darauf griff ein bislang nicht überregional in Erscheinung getretenes SPD-Mitglied aus Breisach, das seit 2011 wöchentliche Mahnwachen organisiert, in einem Leserbrief Eberhard Bueb persönlich an. Der SPD-Mann hatte sich offenbar über die Forderung nach einem Trockenlager geärgert und so kritisierte er, Bueb "vertritt schon lange nicht mehr die Atomkraftgegner". Offenbar hatte er fälschlich den Eindruck, es habe sich um einen Alleingang des Ex-Bundestagsabgeordneten gehandelt. Zu allem Überfluß schrieb der SPD-Mann aus Breisach ohne Rücksprache und in angemaßtem Alleinvertretungsanspruch: "Alle Gruppen distanzieren sich entschieden von solchen Forderungen…" Doch schon bald stellte sich heraus, daß dies allein seiner blühenden Fantasie entsprungen war.

Mittlerweile sah sich sogar der französische Strom-Konzern und AKW-Betreiber EdF durch die Forderung nach einem Trockenlager herausgefordert. Kaum eine Woche nach jenem obskuren Leserbrief verlautbarte EdF mit Hilfe der lokalen Monopolzeitung: "EDF plant keine Lagerhalle in Fessenheim". Hinzu kommt nun die verlockende Verheißung des AKW-Betreibers, die zunächst in den Abklingbecken gelagerten Brennelemente würden innerhalb von zwei Jahren abtransportiert. Aus den vorliegenden Planungen ist jedoch zu entnehmen, daß ein Abtransport nach La Hague für die Jahre 2023 bis 2025 vorgesehen ist. Fachleute erachten einen Abtransport innerhalb von zwei Jahren als unrealistisch. Doch ganz unabhängig vom Zeitpunkt: Ein CASTOR-Transport von Fessenheim nach La Hague wäre in jedem Fall völlig verantwortungslos.

Der AKW-Betreiber EdF, der die Stilllegung des AKW Fessenheim über viele Jahre mit allen Mittel zu verzögern wußte, zielt mit seiner Verheißung offenbar auf die weit verbreitete Wunschvorstellung, in wenigen Jahren könne am AKW-Standort Fessenheim die vielzitierte "grüne Wiese" besichtigt werden. Dieser Illusion widerspricht jedoch allein schon die vorliegende Abriß-Planung. Denn aus dieser geht hervor, daß EdF keineswegs gedenkt, den mit radioaktivem Tritium verseuchten Untergrund des AKW Fessenheim auszuheben. Stattdessen sollen die Fundamente des Atomkraftwerks nach dem Abriß mit radioaktivem Bauschutt verfüllt werden. Das im Untergrund des AKW Fessenheim nachgewiesene Tritium stellt eine massive Gefährdung des Grundwassers dar.

Auch in vielerlei anderer Hinsicht droht eine Billig-"Entsorgung" des Atommülls. So ist damit zu rechnen, daß radioaktiv kontaminierte Metallteile eingeschmolzen werden und in Form von Kochtöpfen in französische Haushalte gelangen. Der Anti-Atom-Bewegung im Dreyeckland ist schon seit langem klar, daß mit der Stilllegung des Atomkraftwerks Fessenheim der Kampf mit dem Strom-Konzern EdF keineswegs beendet ist noch viele Jahr währen wird.