"Erdogan führt einen Krieg gegen alle Andersdenkenden"

"Erdogan führt einen Krieg gegen alle Andersdenkenden"

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Religiöse Potentaten beisammen: Fethullah Gülen beim Papst, 1998
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Quelle: 
Wikipedia

Im Gericht kommt das Urteil am Ende, in der Politik häufig am Anfang. Der türkische Präsident Tayyip Erdogan wusste im Handumdrehen, dass hinter dem Putschversuch nur die Bewegung des pensionierten Predigers Fethullah Gülen stehen konnte. Nun wird die Gülen-Bewegung oder was man dafür hält, in der ganzen Gesellschaft bekämpft. 56 000 Menschen wurden innerhalb von Tagen aus dem Staatsdienst entlassen. Darunter ein Fünftel aller Richterinnen und Richter der Türkei, etwa 8000 Polizisten und 15 000 LehrerInnen. Außerdem wurden die Lizenzen von 21 000 LehrerInnen an nichtstaatlichen Schulen aufgehoben. Über 500 Privatschulen wurden geschlossen usw. Die Bekämpfung der Gülen-Bewegung findet nicht nur in der Türkei statt, wo am Mittwochabend der Ausnahmezustand verhängt wurde, sondern auch quer durch Europa. Das türkische Präsidialamt hat eine Hotline eingerichtet, über die Gülen-Anhänger im Ausland denunziert werden können. In Hagen soll an einer Moschee, die dem deutschen Ableger der türkischen Religionsbehörde Ditib untersteht, ein Schild mit der Aufschrift "Vaterlandsverrät raus" gehangen haben. In Düsseldorf hing an einer türkischen Bäckerei ein Schild mit der Aufschrift "Kein Zutritt für Gülen-Anhänger". Im Internet gab es Morddrohungen. Ähnliches wird aus anderen europäischen Ländern gemeldet. In Mulhouse musste die Polizei eingreifen, um einen Angriff auf das Zentrum "Horizon" zu verhindern.

Radio Dreyeckland sprach mit dem Vorsitzenden der Stiftung Dialog und Bildung (Berlin), Ercan Karakoyun. Es kommt sicher nicht häufig vor, dass ein eher links stehendes Radio, wie Radio Dreyeckland den Vertreter einer Institution um ein Interview bittet, die der religiösen Gülen-Bewegung nahe steht. In Erinnerung haben wir auch behalten, dass der Gülen-Bewegung eine lange Zusammenarbeit mit Erdogabn vorgehalten werden kann und zwar mit durchaus fraglichen Methoden. Man sollte aber auch die Seite der Beschuldigten zu Worte kommen lassen, zumal wenn die Anschuldigungen letztlich nur auf Informationen beruhen, deren Überprüfung für die Öffentlichkeit völlig unmöglich ist.