Wie zimmere ich mir auch gegen die Verbotsbehörde eine Fortexistenz einer verbotenen Vereiniung?: Das Kartenspielhaus des Zweiten Strafsenats des OLG Stuttgart

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Das Kartenspielhaus des Zweiten Strafsenats des OLG Stuttgart

BMI sieht im Gegensatz zu OLG Stuttgart weiterhin keine „Fortexistenz oder Ersatzorganisation“ von linksunten.indymedia

Die Verbotsbehörde, die das Internetportal indymedia linksunten als IMC 2017 verboten hat, hat auf Anfrage von RDL vom Mittwoch 21.6. 2022 am Freitag, 23.6.2022 per email folgtendes mitgeteilt :
„Dem BMI liegen derzeit keine Erkenntnisse über eine Fortführung oder über eine Ersatzorganisation der verbotenen Vereinigung "linksunten.indymedia" vor. „ (Kursiv von MM, Hyperlinks BMI)

Damit wiederholt Pressesprecherin Sonja Kock knapp zwei Wochen nach dem Beschluß des OLG Stuttgart, der die strafrechtliche Hauptverhandlung gegen den RDL Redakteur Fabian erzwingt, eine Aussage zu den Erkenntnissen der Verbotsbehörde, die bereits vor Monaten der Kolleg:in Detlev Georgia Schulze gegeben wurde.
Diese Ausage war auch Bestandteil des Beschlusses des Landgericht Karlsruhe vom 16.Mai 2023. Sie steht erkennbar diametral gegen die Ansicht des 2.Strafsenates.
Der 2. Strafsenat des OLG Stuttgart ignoriert diese Behördenauskunft.
Warum eigentlich? Wo bleibt da eigentlich der Grundsatz, der die Verwaltungsakzessorität des Strafrechtes proklamiert?


Bricht nun das Kartenhaus des OLG Stuttgart Beschluss zur Anklageerzwingung gegen RDL Redakteur Fabian doch zusammen?
 Wer eine Anklage wegen Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates – so der Norm-Schutzzweck des § 85 StGB nach der Rechtsprechung- durch die Unterstützung einer fortgesetzten, uunanfechtbar verbotenen Vereinigung durchsetzen will, braucht ein ein Unterstützungsobjekt, dass die verbotene Vereinigung in ihren organisatorischen Zusammenhang oder ihre Betätigung fortsetzt (oder eben eine Ersatzorganisation).
Darüber hinaus muß diese Vereinigung auch noch unanfechtbar verboten sein. Oder aber sie eine ebenfalls unanfechtbar verbotene Ersatzorganisation.
Auch hier zu hat die zuständige Verbotsbehörde, das BMI (Bundesministerium für Inneres und Heimat) die RDL Anfrage beantwortet:
„Nach allgemeinen Grundsätzen liegt die Unanfechtbarkeit eines Vereinsverbots im Sinne von § 7 Absatz 1 des Vereinsgesetzes (VereinsG) vor, sobald es mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht mehr angreifbar ist (vgl. HK-VerwR/Kyrill-Alexander Schwarz, 5. Aufl. 2021, VwVfG § 43 Rn. 23). Die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde als außerordentlicher Rechtsbehelf hemmt den Eintritt der Rechtskraft der den Verwaltungsrechtsweg abschließenden Entscheidung nicht (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann/Finkelnburg, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage 2017, Rn. 661).
Lassen wir heute mal die Wiedergabe der herrschenden – aus Kommentarliteratur stammenden – Rechtsmeinung beiseite und widmen uns dem Zeitpunkt:
Die Bekanntmachung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 8. April 2020 über die Unanfechtbarkeit des Verbots des Vereins „linksunten.indymedia“ wurde am 30. April 2020 im Bundesanzeiger veröffentlicht (BAnz AT 30.04.2020 B2, Fundstelle: https://www.bundesanzeiger.de/pub/publication/z6PyTitffadPT2elKaP?0).

Zeitpunkte der Bekanntmachung sind deshalb wichtig, weil die Adressaten immerhin davon wissen sollten, wann sie besser etwas nicht tun sollten.
Gerade professionelle Juristinnen wie die des 2. Strafsenat eines in Bundesland Baden-Württemberg rechtlich sowieso nicht mehr überprüfbaren Obergericht sondern nur in diesem Verfahrenszug zum Abschluß des strafrechtlichen Vorverfahrens vom Bundesverfassungsgericht selbst, dürfte dies nicht gerade unbekannt sein.
Seine Interpretation ist zumindest eigenwillig und dies ist extrem höflichst formuliert.
Der vom BMI in seiner RDL Antwort mitgeteilte Zeitpunkt der Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit des Verbotes im Bundesanzeiger wird der 30.April 2020 genannt.
Der Beschluß zur Bekanntgabe der Unanfechtbarkeit zusammen mit dem Verfügungsanteil scheint am 8.April behördenintern gefallen zu sein. Viel früher dürften also auch die inhaltlichen Urteilsgründe des Bundesverwaltungerichtes auch der verfahrenbeteiligten Behörde BMI nicht zugestellt worden sein.
Hinsichtlich des verfügenden Teils (also z.b. Vermögensbeschlagnahmen, Entzug von emailadressen usw.), wird, wenn er zumindest zugleich für unanfechtbar erklärt wird,  vom  Gesetz auf die  Regel aus § 3 Abs.4 VereinsG verwiesen .
Dort steht immerhin – das Vereinigungs-Verbot betreffend – in Satz 3 das folgende:
„Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt. „(letzter Halbsatz sind die Rechtsschutzmöglichkeiten!
Weshalb diese Rechtsbinse nicht auf die Unanfechtbarkeit des Verbotes anwendbar sein soll, gehört zum geheimen Besteckkasten des Rechtsschatz des 2. Strafsenates!

Der 2. Strafsenat des OLG Stuttgart hat in seinem Beschluss vom 12. Juni 2023 ganz im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft Karlsruhe übrigens, der die Fortsetzung einer unanfechtbaren Vereinigung für entbehrlich hielt, aber auch die Fortsetzung dieser verbotenen Vereinigung postuliert, behauptet oder angenommen. Je nach Gusto der Betrachterin.
Aber jedenfalls zwingend auch mit von „überwiegender“ zumindest „hinreichender“ Wahrscheinlichkeit Überzeugung des Senat, dass die strafrechtliche Verurteilung nach der Hauptverhandlung erwartbar ist.
Als Zeitpunkt seiner Behauptung der Unanfechtbarkeit des Verbotes gibt das OLG Stuttgart den 29.1. 2020 an. Also geschlagene drei Monate vor der Bekanntmachung im Bundesanzeiger!

Dies ist aber nun der Zeitpunkt an dem das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in der mündlichen Verhandlung (!) bekanntgab, dass es gerade nicht die Verbotsgründe nachprüfen musste und deshalb die Klage abweise, weil die Klägerinnen bestenfalls als Mitglieder klagen dürften!
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG besteht aber dann auch kein Anspruch auf (Über-)Prüfung der materiellen Verbotsgründe des BMI aus Art.9 Abs. 2 GG i.v.m. § 3 VereinsG auf deren Rechtmässigkeit! Das aus dem Kalten-Krieg der Adenauer Zeit stammende und in der Kommunistenverfolgung seit Anfang der 50er Jahre weidlich genutzte Vereinsverbotgesetz hat so seine Auslegungs Tücken.
Angesichts der Tatsache, dass sich die zu verbietende Vereinigung zwar selbst Handlungen ihrer Mitglieder als Verbotsgrund anrechnen lassen müssen, ist dies von heute her eine recht eigenwillig pikante, aber eben vom Bundesverfassungsgericht tolerierte, hochrichterliche Fachrechtsprechung.


Strafverfolgungswille in a nutshell

Der Beschluss des OLG Stuttgart vom 12. Juni 2023 will gleichzeitig der allgemeinen Öffentlichkeit wie den Laienrichtern der 5. Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe, die das Verfahren nun verhandeln müssen, auch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Strafverurteilung weismachen.
r “überwiegend wahrscheinlich“ hält der Senat nämlich, dass die Vereinigung linkunten.indymedia (IMC) immer noch jedenfalls aber Ende Juli 2022 – als der Author seinen angeblich inkriminierbaren RDL Artikel publizierte - noch fortgesetzt existiert oder betätigt hat.
In tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit tragfähigen Argumenten?
Weil ja die Menschen, denen der Verbotsbefehl des BMI vom August 2017 zugestellt wurde, gegen das Verbot geklagt haben, sei dies als eine Betätigung der Vereinigung von linksunten.indymedia zu werten.
So lautet sinngemäß eines der besonders RECHTStaatlichen Argumente des Senates.
Diese Betätigung für die unanfechtbar verbotene Vereinigung habe selbst dann auch noch angedauert, weil sie ja nicht aufgegeben haben: Ja sie haben auch noch gewagt,  eine Verfassungsbeschwerde einzureichen!
Die wurde bekanntlich erst am 21. März 2023 vom Verfassungsgericht mit Gründen abgelehnt. (Nicht hinreichend substantiiert dargelegt, das das Bundesverwaltungsgericht selbst Verfassungsrecht verletzt habe).
Gründen jedenfalls, die den Schutz von Freiheitsrechten wie den der Pressefreiheit aber ausdrücklich nicht ausschließen.

Hier wäre es eigentlich längst an der Zeit, das andere professionelle Jurist:innen inklusive Richter:innen mal ihr professionelles Urteil über die Geringschätzung eines demokratischen Rechtsstaates durch einen Strafsenat aus den 16 obersten Landesgerichte abgeben würden!

Ansonsten rekurriert der Senat auf seine Lebenserfahrung, die es auschließt, dass Linke natürlich Extremisten ihre ersichtlich nach BMI „düsteren“ Absichten gegen Verfassungsgrundsätze, jemals, also niemals aufgeben.

Die Tatsache, dass wohl im Frühjahr 2020 - wir lassen offen ob im Februar oder April 2020 – dann eine surface Seite – linksunten.archiv - auf eine alte subdomain (linksunten) von indymedia.org hochgeladen wurde, scheint dem Strafsenat wohl deshalb auch keiner näheren Betrachtung wert.
Zur Erinnerung der Senat will die Unanfechtbarkeit des Verbotes ja bereits im Januar beginnen lassen.
Über diese kann dann, wenn gewünscht, das Archiv bis zum Augst 2017 durchwühlt werden.
Frei nach dem erklärten Motto auf der surfacepage, wir lassen uns unsere Bewegungsgeschichte nicht klauen.
Eins kann mensch jedoch nicht: neue Artikel hinzufügen oder kommentieren – also alles was nach dem Willen des ursprünglichen Betreiberkolletivs (Vereinigung IMC linksunten) das ursprüngliche Veröffentlichung-, Informations und Diskussionportal ja gerade bezwecken sollte, bevor Maaßen und De Maiziere sie zu dem zentralen linksextremistischen Gefahrenherd für die Verfassungs-Ordnung erklärten.
Erkennbar ist auch nicht, wer diese surface Seite gestaltet hat oder wer den ArchivArtikel upload tätigte.

Sicher ist allerdings nur, dass dieses Artikelarchiv auch zwischen 2017 und 2020 nie aus dem Internet verschwunden war. 
Dies scheint aber tatsachenwidrig der Senat nach Kappung des Portals Ende August 2017 durch den IMC linksunten anzunehmen !
Schließlich gibt es eine, wohl auch vom US-Kongress geförderte Internet-Waybackmaschine, die archive.org betreibt. Sie präsentiert auch alle Artikel. Wie hier auch rekonstruierbar ist, das am linksunten.archiv keinerlei Veränderung seit damals vorgenommen worden sind.

Es ist also schon hieraus mehr als fraglich, weshalb sich der 2. Strafsenat zu der Ansicht versteigen kann, der mutmassliche upload, in seinem spöttischen Jargon aber als Setzung eines Denkmals (s.a.TAZ) wie der Senat gleichermaaßen süffisant wie auch wohl mit einem Anflug von Neid beschreibt, sei als eine Dauerbetätigung zu verstehen.
Will er mit dieser Jokerkarte etwa vorbeugen, dass gegebenfalls der upload Zeitpunkt jedenfalls vor der allgemeinen Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit des Verbotes liegt ? Dies bleibt im Unklaren..

Müßte dennoch aber nicht im Fall einer Dauerbetätigung der verbotenen Vereinigung nicht mal zumindestens irgendwelche Tätigkeiten und sei es nur, daß eine/r immer mal wieder das Archiv öffnet, um ggf. dessen Rechtsschreibefehler zu bereinigen [Präziser. Personen des 2017er IMC Linksunten]?
Oder ist gar der Aufruf einer beliebigen Suchmaschine, die nun das Archiv bei Linksunten an erster Stelle wiedergibt, geeeignet, die Ansicht des OLG gar zur gemutmaaß(t)en Dauerbetätigung zu stützen?
Nein! Auch der 2. Strafsenat ist für seine rechtliche  Meinungsbildung nicht nur bei wikipedia fündig geworden. Er hat ja die Suchfunktion des Archivs für seine Zwecke betätigt, auf der Suche: search the money!
Da müssen doch Kosten getragen werden! Nein sowas!
Der Senat legt dafür eine neue Karte auf den Tisch.
Bereits geschlagene vier Jahre vor dem Verbot von linksunten.indymedia also 2013 da hat der IMC linksunten zu Spenden aufgerufen!
An linksunten.indymedia? Nein an TACHANKA! *
Eine neue Karte im Kartenspiel des OLG Stuttgart, 2.Strafsenates. Sticht sie? Gar als der Black Jack?
Ich wage oder erlaube mir mal eine Empfehlung:
Vielleicht wäre es nicht die schlechteste Überlegung des 2. Strafsenat auch einmal den verfügenden Teil der Feststellung des BMI in der Fassung vom 30.April 2020 doch noch einmal vorher zu lesen und(!) an den tragenden Gründen der Klageabweisung des Bundesverwaltungsgericht zu messen!
Jedenfalls  bevor er mit der möglich Entscheidung über die ggf. nächste Beschwerde  der 5. Ermittlungsabteilung des Staatsanwaltschaft Karlsruhe in den notwendigen, weil vomSenat erzwungenen, Ermittlungen konfrontiert ist.
Die Behörde muss  ja  nun ihre erweiterten Ermittlungsmöglichkeiten zum Ansatz bringen und das  soll ja gegen Fabian und RDL gehen? Oder vielleicht doch sogar wegen einem Beihilfedelikt, gegen  die zuständige Abteilung im BMI, die es unterließ den Spendenkanal zum TACHANKA Konto zu schliessen?
Schaun wir mal.
Michael Menzel, Stand 23.6.2023
Eine Fortsetzung zu TACHANKA wird folgen.