Walter Mossmann zu 25 Jahren Radio Dreyeckland

Walter Mossmann zu 25 Jahren Radio Dreyeckland

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Dies hat sich während des Anti-AKW-Kampfes in Baden und im Elsass bestätigt. Offiziöse Medien haben gegen die Antiatom-Bewegung Stimmung gemacht. Wir haben versucht, alle möglichen Medien zu nutzen, aber außer Flugblättern und Mundpropaganda lief nicht viel. 21 Badische und Elsässische Bürgerinitiativen mußten vernetzt werden. Dafür eignete sich ein "Piraten-Sender" am besten.

Es wurde eine Kerngruppe im Bereich Technik und Moderation gebildet. Wir hatten auch zahlreiche Helfer auf beiden Seiten der Grenze. Da unser Tun gegen mehrere Paragraphen des Strafgesetzbuches verstieß, spielten wir ständig mit der Polizei und den Post-Fernmeldern Verstecken. Dieses Spiel machte uns einen Heidenspaß. Wir haben Polizei- und Postfunk abgehört, als sie uns anpeilten, und waren immer einen Schritt voraus. Wir amüsierten uns köstlich, als Polizisten mit mehreren Einsatzwagen im Kaiserstuhl vorfuhren. Sie waren hundertprozentig davon überzeugt, dass wir senden, dabei war gerade eine andere Gruppe im Elsass auf Sendung.

 
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Auch Hausdurchsuchungen hatten zu keinem Zeitpunkt Erfolg: unsere Apparatur wurde nie gefunden. Dabei war ich wegen meiner "prominenten" Stellung als Sänger, Autor und Journalist damals relativ geschützt. Die Polizei hatte nicht gewagt, mich übermäßig hart zu behandeln (im Gegensatz zu anderen "üblichen Verdächtigen").
1978 habe ich das bekannte Radio Dreyeckland-Lied geschrieben. Wir brauchten einen Aufhänger und ein Erkennungslied, das auch bei Veranstaltungen gesungen werden konnte. Da wir öfters unsere Frequenz wechselten und sie im Lied vorkommt, gibt es verschiedene Versionen des Liedes.

Mit der Zeit fing das Radio natürlich auch an, Themen außerhalb des Antiatom-Kampfes anzusprechen: Frauenbewegung, Berufsverbote, RAF, Internationalismus, Dritte Welt. Als Beispiel könnte ich die Berichterstattung über Lateinamerika nennen, speziell über Chile. Wir kannten persönlich viele politische Flüchtlinge, die nach dem Pinochet-Putsch in die BRD geflohen waren. Aber der Kristallisations-Punkt des Radios war ganz klar die Antiatom-Bewegung.

Als einen der Höhepunkte vor der Legalisierung von Radio Dreyeckland möchte ich unser "Gastspiel" 1980 in Gorleben / Republik Wendland nennen. Aus irgendeinem Grund wollte das Innenministerium besonders hart durchgreifen. Es sah martialisch aus: das Feld war von Militärtransportern und Schützenpanzern umstellt und im Himmel kreisten Militärhubschrauber. All das wurde vom Radio Freies Wendland dokumentiert, es sind auch Bücher und Bildbände entstanden.

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Als unseren Hauptverdienst sehe ich das Durchbrechen der Zensur an. Damals gab es keine private Öffentlichkeit. Wir haben sozusagen auch die Bresche für RTL und SAT 1 geschlagen. Das war eine revolutionäre Handlung, was sich heute mit der Entwicklung des Internets auf eine ungeahnte Weise bestätigt."

Mit Walter Moßmann sprachen Alexander Berezovski und Kai Woodfin.

Bilder aus: "Radio Freies Wendland"

(aus: radio! - Februar 2002)