Kämpfe in Sudan - zu den Hintergründen

Kämpfe in Sudan - zu den Hintergründen

Am Samstag sind in der sudanesischen Hauptstadt Chartum und anderen Städten heftige Kämpfe zwischen der regulären Armee und der RSP-Miliz ausgebrochen. RSP steht für Rapid Support Forces - Schnelle Unterstützungskräfte. Der erste Eindruck ist der eines regelrechten Krieges zwischen zwei nach Mannschaftsstärke ungefähr gleich starken Kräften, in dem beide Seiten alle Waffen einsetzen, die ihnen zur Verfügung stehen. Es gibt auch bereits Meldungen über erste zivile Tote.

 

Da Sudan zu den Ländern gehört, aus denen deutsche Medien fast nicht berichten, möchte ich hier ein paar Basics zu den Hintergründen des Konflikts schreiben. Oberflächlich ist es ein Machtkampf zwischen dem Präsidenten General Abdel Fattah al-Burhan, dem Chef der Militärjunta, die sich am 25. Oktober 2021 an die Macht geputscht hat und seinem bisherigen Stellvertreter Mohamed Hamdan Dagalo, auch Hemetti genannt. Nach einem Jahr heftiger Proteste, die auch mit dem Einsatz extremer Gewalt nicht zu unterbinden waren, unterzeichnete Burhan am 5. Dezember 2022 ein Abkommen, in dem er versprach, die Regierung wieder in zivile Hände zu legen. Einzelheiten blieben aber unklar. Als Vermittler zwischen der Junta und der Zivilgesellschaft waren die USA, Großbritannien, Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate aufgetreten.

 

Als Teil des Übergangsprozesses sollte die RSP in die reguläre Armee eingegliedert werden. Dagalo wollte hierfür aber eine Übergangsfrist von 10 Jahren und ließ auch seine Miliz aufmarschieren. Dies beunruhigte wiederum das Militär. Allerdings gibt es auch Vermutungen, dass Kreise im Militär, die dem früheren Langzeitpräsidenten Omar al-Baschir nahestehen, gegen die Übergabe der Macht an Zivilisten sind und ob der Putschist al-Burhan wirklich die Macht abgeben will, ist ebenfalls nicht so klar.

Die RSP wurde im Jahr 2013 gegründet. Sie ist aber aus den Janjaweed-Milizen (Djandjawid) hervorgegangen. Diese wiederum haben ihren Ursprung in arabisch-rassistischen Söldnergruppen, die ursprünglich der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi organisiert haben soll und die auch im Tschad operierten. Als sich um das Jahr 2000 in der Darfur-Region im Westen Sudans eine starke Aufstandsbewegung entwickelte, bewaffnete Omar al-Baschir die Janjaweed und ließ sie die Drecksarbeit bei der Niederschlagung des Aufstands machen. Dabei wurden zwischen 200 000 und 400 000 Menschen von ihnen massakriert. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag erließ deshalb einen Haftbefehl gegen al-Baschir wegen Völkermordes, der aber nicht vollzogen werden konnte.

 

Ideologisch verfolgte Omar al-Baschir einen islamistischen Kurs und förderte das mittelalterliche Scharia-Recht. Das ging vor allem zu Lasten der Frauen in Sudan. Eine stark von Frauen und Gewerkschaften getragene revolutionäre Bewegung organisierte schließlich Massenproteste gegen al-Baschir. Auch mit dem Einsatz scharfer Munition konnte al-Baschir die Proteste nicht beenden. Schließlich putschte das Militär am 11. April 2019 gegen al-Baschir. Bis zu Wahlen sollte zunächst eine vom Militär, dann von Zivilisten dominierte Regierung das Land führen. Doch wegen des Putsches von al-Burhan, der auch von der RSP unterstützt wurde, kam es nicht zum zweiten Teil dieses Versprechens.

 

Als Chef der RSP konnte sich Dagalo noch unter al-Baschir 6 Goldminen in Darfur aneignen und ist angeblich der reichste Mann im Land. An der Goldförderung im Sudan und am Export, an dem nach Recherchen von CNN der sudanesische Staat nichts verdient, ist auch die Meroe Gold beteiligt. Sie ist offenbar mit der russischen Söldnergruppe Wagner verbunden. Deshalb und weil der Meroe Gold auch Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, wurde sie von der EU mit Sanktionen belegt. Auch die RSP selbst hat internationale Verbindungen. So hat sie Söldner im libyschen Bürgerkrieg gestellt und auf der Seite Saudi Arabiens im Jemen. Im Auftrag afrikanischer Staaten und der EU kontrolliert die RSP auch Flüchtlingsströme an der libyschen Grenze und um Äthiopien und Eritrea.

 

Wer im jetzigen Konflikt den ersten Schuss abgegeben hat, wird sich wahrscheinlich nie klären lassen. Anfangserfolge der RSP in Chartum sprechen eher dafür, dass es die RSP war, aber letztlich kommt es nicht darauf an. In verschiedenen Quellen wird die Stärke der RSP mit 100 000 Mann und die der regulären Armee mit 104 000 Mann angegeben. Nur die Armee hat eine Luftwaffe, die sie auch bereits eingesetzt hat. Doch ihr Sieg ist keineswegs garantiert. Dagalo gibt sich nun als Anwalt des Volkes. Das ist so glaubwürdig, wie dass die Erde ein Würfel ist.

jk