Großbritannien: Kritik an Durchleuchtung von mutmaßlichen Vergewaltigungsopfern

Großbritannien: Kritik an Durchleuchtung von mutmaßlichen Vergewaltigungsopfern

In einem Bericht mit dem Titel „Who is Under Investigation?“ – „Gegen wen wird ermittelt?“ kritisiert der britische Datenschutzbeauftragte, John Edwards den Umgang mit mutmaßlichen Vergewaltigungsopfern. Wer in England oder Wales eine Vergewaltigung anzeigt, muss zunächst ein Formular unterschreiben, das der Polizei einen Blankoscheck für die Durchleuchtung der eigenen Person ausstellt. Dabei wird auch Zugriff auf sehr weit zurückliegende Informationen verlangt. Durchsucht werden darf das Handy, Tätigkeiten in sozialen Medien, Krankenakten, Schulunterlagen und andere soziale Daten. Untersucht wird anhand der Schulakten unter anderem, ob das mutmaßliche Opfer vielleicht als Teenager schon einmal gelogen hat. Ohne eine Unterschrift unter die Generaldurchleuchtung des mutmaßlichen Opfers kann es laut Guardian passieren, dass die Polizei bzw. Staatsanwaltschaft keine Untersuchung der angezeigten Vergewaltigung einleitet.

 

Wahrscheinlich trägt die Durchleuchtung nach einer Anzeige dazu bei, dass sexuelle Übergriffe selten angezeigt werden. Der Datenschutzbeauftragte weist auf einen Bericht des Innenausschusses des britischen Parlaments hin, der zu dem Schluss kommt, dass innerhalb eines Jahres 1,8 Prozent aller Menschen zwischen 16 und 74 Jahren in England und Wales sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren, wobei auch Versuche mitgezählt wurden. Nur jede sechste betroffene Frau und jeder fünfte betroffene Mann erstattete eine Anzeige. Der Datenschutzbeauftragte betont dabei, dass es natürlich auch noch andere Gründe für eine Nichtanzeige gibt, als die Angst vor einer Durchleuchtung durch die Polizei. Auch nach einer Anzeige ist die Wahrscheinlichkeit nicht groß, dass tatsächlich gegen einen mutmaßlichen Täter ermittelt wird. Der Datenschutzbeauftragte zitiert dazu unter anderem eine Statistik aus Schottland wonach nur in 13 Prozent der angezeigten Fälle nachher ein Verfahren gegen eine Person eingeleitet wurde.