Europäischer Menschenrechtsgerichtshof: Dublin-Abschiebung einer Familie nach Italien braucht individuelle Garantien

Europäischer Menschenrechtsgerichtshof: Dublin-Abschiebung einer Familie nach Italien braucht individuelle Garantien

In einem gestrigen Urteil befasste sich der Europäische Menschenrechtsgerichtshof mit einer afghanischen Familie, die nach der EU-Dublin-Regelung von der Schweiz nach Italien abgeschoben werden sollte. Sie hatte zunächst in Italien einen Asylantrag gestellt, reiste später aber nach Österreich und in die Schweiz. Der grosse Senat wollte kein allgemein gültiges Urteil über Dublin-Abschiebungen nach Italien fällen, lehnte aber im Einzelfall der Familie die Abschiebung nach Italien.

In diesem besonderen Fall hatten sich die Schweizer Behörden keine individuellen Garantien von den italienischen Behörden geholt, wie die Familie aufgenommen werden würde. Insbesondere wurde weder garantiert, ob die Kinder ihrem Alter entsprechend behandelt würden, noch ob die Einheit der Familie in Italien bewahrt würde. Angesichts der aktuellen Lage des Flüchtlingsaufnahmesystems in Italien kann laut Urteil nicht ausgeschlossen werden, dass Asylbewerber, die nach Italien abgeschoben werden, entweder ohne jegliche Unterbringung gelassen oder in überbevölkerten, heruntergekommenen oder gewaltgeprägten Flüchtlingsheimen untergebracht werden.

Trotzdem sieht das Europäische Menschenrechtsgerichtshof darin keinen Grund, Dublin-Abschiebungen nach Italien für menschenrechtswidrig zu erklären. Abschiebungen nach Italien sind weiterhin zulässig, wenn individuelle Garantien gegeben werden.