Abschiebung von Kurden aus Baden-Württemberg in die Türkei: Erklärung der Familie Tunç nach der Abschiebung von Muhammed Tunç

Erklärung der Familie Tunç nach der Abschiebung von Muhammed Tunç

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Muhammed Tunç
Muhammed Tunç
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Wir domentieren an dieser Stelle die Stellungnahme der Familie von Muhammed Tunç, der am 7. April in die Türkei abgeschoben wurde.

"Nach jahrelangem hin und her und mehrmaligen Versuchen ist Muhammed in die Türkei abgeschoben worden. Viel wurde im Vorfeld darüber diskutiert und geschrieben. Diese Phase war für uns als Familie, insbesondere aber für Muhammed selbst, sehr hart. Viele Menschen haben sich dafür eingesetzt, dass diese Abschiebung verhindert wird. Dieser Einsatz hat uns immer wieder Kraft gegeben. Dafür danken wir jedem und jeder persönlich. Das werden wir niemals vergessen. Wir sind aber auch enttäuscht; enttäuscht von den deutschen Behörden, die unsere Familie auseinandergerissen hat, so wie sie vor über 50 Jahren schon mal auseinandergerissen wurde, als wir nach Deutschland kamen, das dann zu unserer Heimat wurde; das dachten wir zumindest. Muhammed ist hier geboren, hier zur Schule gegangen und aufgewachsen. Er kannte Erzirom nicht, oder nur aus unseren Erzählungen. Auch die Türkei kennt er nicht und er spricht auch die Sprache nicht wirklich. Ausgerechnet in das Land, das wir damals verlassen mussten, wurde er abgeschoben. Bis zum letzten Moment hatten wir daran geglaubt, dass in den deutschen Behörden die Vernunft siegen wird. Dass er aufgrund seiner vergangenen Straffälligkeit abgeschoben wurde ist ein vorgehaltener Vorwand, der vertuschen soll, wie sehr Rassismus in vielen Entscheidungsfindungsprozessen in den deutschen Behörden im Spiel ist. Natürlich tragen auch wir als Familie Verantwortung dafür, dass er sich strafbar gemacht hat. Aber wenn er nach über 33 Jahren immer noch als Fremder gesehen wird, der abgeschoben werden kann, dann zeigt genau das, welche Logik in vielen Behörden vorherrscht und dass auch das viele Menschen erst in diese Straffälligkeit treiben kann. Anstatt sich mit den Problemen auseinanderzusetzen, die wir und hunderttausende andere Familien mit Migrationshintergrund erleben, hat man mit der Abschiebung einfach die Verantwortung weggeschoben. Wir sind uns bewusst, dass tausende andere Menschen genau das erleben, was wir gerade erleben. Wir fühlen mit Ihnen. Jeder hat das Recht auf ein sicheres Leben und niemand darf gegen sein Willen abgeschoben werden. Das ist unmenschlich. Der erste Artikel im Grundgesetz garantiert den Schutz der Menschenwürde. Widerspricht denn eine Abschiebung nicht dagegen? Deutschland hat unser Kind in die Türkei abgeschoben und ihn damit in große Gefahr gebracht. Auch das werden wir niemals vergeben und vergessen. Dass Muhammed nicht gleich verhaftet wurde, verdanken wir dem Einsatz von so vielen Menschen, die eine Öffentlichkeit geschaffen haben, die ihm Schutz bietet. Es ist völlig ungewiss, wie lang das anhält. Er kann sogar schon morgen mit viel schlimmerem als eine Verhaftung konfrontiert werden. Wir hoffen und wünschen uns, dass wir die letzte Familie sind, die diese Schmerzen der Trennung und der Ungewissheit über das Schicksal des eigenen Kindes spüren müssen."

Ulm, 8. April Familie von Muhammed