Cafe Cannes - Cannes Blog Tag 4 - Dossier 9

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Alexander Sancho-Rauschel live aus Cannes

Nach dem persoenlichen Film-Hoehepunkt mit „Another Year“ von Mike Leigh (siehe Dossier Nummer 8) ist erstmal Pause und Artikelschreiben angesagt. Denn die filmischen Leckerbissen sollte man wirken lassen und nicht gleich wieder mit dem naechsten Film verschuetten.Spaeter wage ich mich in die „Cannes Classics“, das Retro-Programm in Cannes mit Hoehepunkten aus vergangenen Zeiten und vergangenen Festivals. 

Im Zuge des Bollywood-Booms wird oft vergessen, dass Indien als Filmland auch eine reichhaltige Tradition an grossen Autorenfilmern und ambitionierter Filmkunst zu bieten hat. Und das schon seit langem – der indische Filmemacher Satyajit Ray hatte 1958 mit seinem Meisterwerk “ Jalsaghar“ („Das Musikzimmer“), ein wundervoll komponierten Werk, auch im Westen grosse Anerkennung gefunden, und heute gibt es in einer sorgfaeltig restaurierten Kopie den Film „Kandahar“ („Kandahar - die Ruinen“) des indischen Regisseurs Mrinal Sen zu sehen.

 

 Ein melancholisches, ruhiges Werk, das seinen ZuschauerInnen Geduld abverlangt, aber auch faszinieren kann… Zwei junge Maenner verlassen die Grossstadt und reisen in die Herkunftsstadt des einen, eine halb verlassene Ruinenstadt, in der noch einige entfernte Verwandte von ihm leben, eine vergessene Welt aus laengst vergangenen Tagen, in der man wartet, zum Brunnen geht, ein wenig Landwirtschaft betreibt und auf eine neue Bluete der verfallenen Stadt hofft, und traurigen Blicks die Ruinen vergangener Groesse betrachtet… Und natuerlich kommt auch noch die Liebe ins Spiel, denn ein schoenes Maedchen bringt den beiden jungen Maennern Tee und einen der zwei auf dumme Gedanken… wenn man denn die Liebe als dummen Gedanken ansehen will…

Regisseur Mrinal Sen ist persoenlich anwesend, das Publikum erhebt sich, als er den Raum betritt, der freundliche alte Herr versichert, er selbst habe diese neue, restaurierte Filmkopie noch nicht gesehen, die durch die Hilfe des National Film Archive of India angefertigt worden ist, und strahlt gluecklich, dass er auch im Westen nicht vergessen ist und sein rekonstruiertes filmisches Werk, im Gegensatz zu der Ruinenstadt im Film, nicht verfallen ist.
Ein bewegender Moment, wohltuend in der Hektik des Festivals, der mir wieder einmal zeigt, dass Cannes neben dem Wettbewerb um die Palmen, neben Kommerz, Hypes um neue Trends und den Markt um Vertriebsrechte auch der Ort fuer das kuenstlerische Kino ist, und das weltweite Kino wahrnimmt und wuerdigt.

Foto ASR
1. Der indische Regisseur Mrinal Sen in Cannes bei der Wiederauffuehrung seines Films