Cafe Cannes - Cannes Blog Tag 2 - Dossier 3

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Alexander Sancho-Rauschel live aus Cannes

 

 

Es fuehlt sich nicht unbedingt gut an, den neuesten Film einer lebenden Regie-Legende zu zerreissen – aber zugleich erscheint es mir auch nicht statthaft, einen missglueckten Film nur deshalb zu loben, weil der Regisseur vor langer Zeit einmal tolle Filme gedreht hat…Manoel de Oliveira war einer der ganz Grossen nicht nur im portugiesischen, sondern auch im europaeischen Arthouse-Kino… aber es ist eben schon eine ganze Weile her, dass der 1908 in Porto geborene Filmemacher einen richtig grossen Wurf hatte.Wer koennte es ihm verdenken? Denn – ihr habt richtig gelesen… geboren 1908!

Der Portugiese gilt mit seinen 101 Jahren als der aelteste noch arbeitende Filmregisseur ueberhaupt! Da ist es schon in Ordnung, wenn man so ganz allmaehlich ein bisschen nachlaesst…Und leider kann ich es anders einfach nicht nennen… Er hat nachgelassen…!Den Vorwurf mache ich daher weniger dem verdienstvollen Regisseur als vielmehr der Vorab-Jury des Festivals… - denn das neueste Werk de Oliveiras haette einfach nicht auf dem renommiertesten Festival der Welt gezeigt werden duerfen.Besser gesagt: Auf gar keinem Festival!

Denn „O estranho caso de Angelica“, wie de Oliveiras neuestes Werk heisst, ist, kurz gesagt, ganz fuerchterlich geworden.

 Worum geht es? Es faengt eigentlich ganz interessant an: Ein junger Mann, ein begeisteter Fotograf, wird mitten in der Nacht gerufen, es handele sich um einen Notfall, berichtet man ihm… Ein Notfall fuer einen Fotografen?

Man bringt den Nichtsahnenden zu einem feudalen Landsitz… wo er eine frisch Verstorbene bildlich verewigen soll. Der junge Mann ist irritiert, macht aber seinen Job. Und ist voellig aus dem Haeuschen – denn die junge Frau, die kurz zuvor dahingeschieden war, ist nicht nur aeusserst attraktiv gewesen, sondern oeffnet, waehrend er durch den Sucher seiner Kamera blickt, kurz die Augen und laechelt ihn an… Erschrocken faehrt er zusammen, aber niemand ausser ihm selbst scheint es gesehen zu haben. Schon liegt sie wieder da, brav und tot, wie friedlich schlafend. Er entwickelt zuhause die Aufnahmen, wieder laechelt ihm die Frau auf einem der Abzuege zu…

 

Was beginnt wie eine interessante Gothic Tale von eines klassischen Erzaehlers des 19. Jahrhunderts, wird bald immer alberner.

 

 Der junge Mann fotografiert arbeitende Bauern bei der Arbeit, lehnt den Einsatz moderner Maschinen ab (er selber muss ja die Felder nicht mit der Hand bearbeiten), will auch keine Digitalkamera benutzen und spiegelt in seinen etwas verstaubten Ansichten wohl eher die Ueberzeugungen des Regisseurs wider als die eines jungen Fotografen.Er verliebt sich in die tote Schoene, die ihm immer wieder in seinen Traeumen erscheint, er fliegt in grauenhaft kitschigen Bildern des nachts mit ihr durch die Luefte, wird immer verwirrter und faellt schliesslich tot um, um sich im Tod mit ihr, der niemals Redenden, aber immer etwas debil laechelnden, zu vereinigen.

 

 

Weitaus schlimmer als die duenne Geschichte aber ist die extrem hoelzerne Art, in der die Schauspieler agieren. Der junge Mann reisst beim ersten Augenaufschlag der Verblichenen so theatralisch die Augen auf, dass es selbst in der Stummfilmzeit als zu ueberzogen kritisiert worden waere, seine Vermieterin agiert wie in einer unterdurchschnittlichen Laienspieltruppe, die Dialoge sind so seicht, dass sie nichts zum Handlungsverlauf beitragen… und die penetrant klimpernde Filmmusik ueberzieht gleichmaessig den ganzen Film, egal ob sie zu einer Szene passt oder nicht.

 

 

 Schade, schade, schade… Aber es ist mir schlichtweg nicht gelungen, auch nur irgendetwas Positives, Ueberzeugendes oder auch nur Originelles an dem gesamten Werk zu entdecken. Tut mir leid, Herr de Oliveira. Zwar habe ich ein

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etwas schlechtes Gewissen, aber etwas anderes kann ich ueber dieses „Geheimnis von Angelica“ einfach nicht sagen, tut mir leid. Und das ist durchaus ernst gemeint – schade fuer die Zuschauer, schade fuer das europaeische Autorenkino… aber ein schlechter Film ist leider ein schlechter Film, trotz aller Verdienste aus frueheren Zeiten.

Alle Fotos: ASR
1. Blick von Terrasse vom Palais des Festivals aus
2. Endlose Schlangen vor dem Einlass - Alles hofft auf Karten!