Ausgangssperre in LEA Ellwangen verlängert - Bewohner*innen unzureichend geschützt

Ausgangssperre in LEA Ellwangen verlängert - Bewohner*innen unzureichend geschützt

Die Ausgangs- und Kontaktsperre für Bewohner*innen der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Ellwangen wurde bis zum 3. Mai 2020 verlängert. Das geht aus einer Pressemitteilung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20. April hervor. Seit dem 20. April wird in Ellwangen zudem die Bundeswehr eingesetzt "beim Betrieb der Einrichtung sowie im pflegeähnlichen Bereich sowie bei der Unterstützung der medizinischen Betreuung, beispielsweise beim täglichen Fieber-Monitoring". In der LEA Ellwangen erwiesen sich nach einem Anfang April vorgenommenen Test aller Bewohner*innen bereits rund die Hälfte als Corona-positiv. Derzeit sind dort knapp 600 Personen in Zwei- bis Sechsbettzimmern untergebracht. Auch Menschen, die nicht zur selben Familie gehören bzw. nichts miteinander zu tun haben, sind in bis zu Fünfbettzimmern zusammen untergebracht. Das baden-württembergische Sozialministerium gibt zu: "Aufgrund oft beengter Wohnverhältnisse und gemeinschaftlich genutzter Aufenthalts- und Sanitäranlagen besteht ein erhöhtes Risiko der Virusverbreitung."

Trotz dieses hohen Risikos werden die Bewohner*innen der LEA Ellwangen offenbar noch immer kaum vor Ansteckung geschützt, während die Abschottung nach außen strikt umgesetzt wird. Das Regierungspräsidium Stuttgart erklärte gegenüber RDL am 20. April zwar auf die Frage, ob sich infizierte und nicht infizierte Personen sich einen gemeinsamen Außenbereich teilen: "Die Außenbereiche wurden abgetrennt". Der Verein Flüchtlinge für Flüchtlinge beklagt jedoch in einer Meldung ebenfalls vom 20. April: "Im ganzen Lager existiert keine Trennung von positiv und negativ Getesteten. Sie begegnen sich im Freien, bei der Arbeit (zum Beispiel in der Küche), in den Gebäuden und in den Zimmern. Toiletten und Waschräume müssen sie gemeinsam benutzen. Die Geflüchteten, mit denen wir gesprochen haben, können die Behauptung des Regierungspräsidiums Stuttgart, Infizierte seien in eigenen Gebäuden untergebracht, nicht bestätigen." Auch das RP Stuttgart gibt zu, dass Sanitärbereiche weiterhin stockwerksweise gemeinsam genutzt werden müssen. Es sei eine zusätzliche Firma zur Reinigung und Desinfektion beauftragt worden. Statt der vorübergehend zwei getrennten Kantinen gebe es zur weiteren Vermeidung von Kontakten nun nur noch Lunchpakete. Flüchtlinge für Flüchtlinge erklärt jedoch, dass diese Lunchpakete immer noch in der Kantine abgeholt werden müssten, die lediglich durch einen Bauzaun mit Plane in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt sei. Auch weist Flüchtlinge für Flüchtlinge die Behauptung des Regierungspräsidiums Stuttgart gegenüber RDL vom 15. April zurück, Desinfektionsmittel sei "in der LEA frei zugänglich". Bewohner*innen klagten, so Flüchtlinge für Flüchtlinge, "dass immer noch keine Desinfektionsmittel zur Verfügung stehen. Sie baten den Lagerleiter Weiß, die Dispenser in den Sanitätsräumen, die seit Tagen leer seien, wieder auffüllen zu lassen. Dieser reagierte mit Ausflüchten."

Zur Anzahl der in Ellwangen untergebrachen Menschen mit Vorerkrankungen machte das RP Stuttgart auch auf abermalige Anfrage von RDL keine Angaben. Arbeiter*innen von außen kämen ohne Mundschutz in die LEA, so Flüchtlinge für Flüchtlinge weiter. Auch seien noch nach Verhängung der Ausgangssperre weitere Geflüchtete aus dem Verteilzentrum Heidelberg nach Ellwangen verlegt worden.

Internet - als Zugang zur Außenwelt in Zeiten der Ausgangssperre wichtiger denn je - stehe zwar zur Verfügung, aber "nur an zwei Stellen im Lager". Dies erscheint problematisch, da ja Ansammlungen von Menschen an zwei Orten gerade vermieden werden sollen, und tatsächlich bleiben laut Flüchtlinge für Flüchtlinge einige Bewohner*innen aus Furcht vor Ansteckung auf ihren Zimmern und kommen somit nicht ins Internet.

Wie bereits berichtet, gibt es laut RP Stuttgart keine Pläne, die Bewohner*innen der LEA zum Infektionsschutz dezentral unterzubringen. Sie werden lediglich teilweise in andere, neue Lager verbracht. So seien mit Stand vom 17. 04. laut RP Stuttgart 19 Personen aus Ellwangen in das Isolierzentrum Althütte-Sechselberg gebracht worden (außerdem sieben aus Tübingen). Am 3. April wurde außerdem eine Außenstelle der LEA Ellwangen in Giengen an der Brenz eröffnet, in der derzeit 26 Personen untergebracht seien. Auch an diesen beiden Standorten ist die Bundeswehr zur "Unterstützung" vor allem im medizinischen Bereich eingesetzt, in Althütte sogar zur Pflege der dort untergebrachten beiden Säuglinge. Aus Althütte-Sechselberg berichten Unterstützer*innen wiederholt, dass auch Kontaktaufnahmen ohne Infektionsgefahr von der Security unterbunden würden: So wurden Solidaritäts-Transparente am Zaun wieder abgehängt und es wurde nicht erlaubt, Päckchen für Bekannte im Inneren des Isolierzentrums abzugeben.

Bei den Maßnahmen in der LEA Ellwangen beruft sich das Regierungspräsidium auf die "Empfehlungen zur Prävention von sowie Umgang mit Infektionen mit SARS-CoV-2 in den Landeserstaufnahmestellen für Flüchtlinge" des baden-württembergischen Ministeriums für Soziales und Integration vom 15. April. Dabei verwundert es angesichts der vielfältigen verbindlichen Schutzvorschriften, die derzeit erlassen werden, dass es bei derart gefährdeten Einrichtungen wie Erstaufnahmeeinrichtungen nur "Empfehlungen" gibt. Diese sehen die üblichen Abstandsregeln vor, aber auch Mehrbettzimmer mit bis zu fünf Personen. Für Angehörige von Risikogruppen wird die Separierung empfohlen. Möglichkeiten ihrer getrennten Unterbringung erarbeite das Innenministerium derzeit erst noch (Stand 15.04.). Bevor neue Personen in eine LEA aufgenommen werden, sollen sie getestet werden. Die übliche Klassifizierung von Kontaktpersonen Corona-Infizierter für die LEAs kurzerhand anders definiert als in der sonstigen Bevölkerung: "Die  Kontaktpersonen-Einteilung  nach  RKI-Definition  ist  aufgrund  der  bedrängten Wohnverhältnissen und der Vielzahl an Kontaktmöglichkeiten innerhalb der LEA (z.B. bei der Essensausteilung) nicht einfach umzusetzen." Als Kontaktpersonen der Kategorie 1 gelten demnach außer denen, die einen nachweisbar besonders intensiven Kontakt hatten, auch "Sämtliche Bewohner, die sich entweder sanitäre Einrichtungen und/oder Aufent-
haltsräume mit der erkrankten Person teilen (bei unklarer Zuteilung der Räumlich-
keiten bzw. Benutzung Erweiterung auf Bewohner des gleichen Stockwerkes oder
des gleichen Hauses)."

So kommt es zu Massen-Quarantänen, bei denen sich dann möglicherweise Zwangs-Wohngemeinschaften ganzer Stockwerke oder Gebäude gegenseitig anstecken, wie das Beispiel Ellwangen bereits belegt. Die Abschottung ganzer Einrichtungen wird zwar vom Sozialministerium nicht empfohlen, die Abweichung ist den einzelnen LEAs aber ausdrücklich erlaubt.