Sondereinheit CRS-8 in der Kritik : Ermittlungsverfahren wegen Übergriffen in Rennes

Ermittlungsverfahren wegen Übergriffen in Rennes

Weil sie den Demonstranten „Thomas“ am Rande der Rentenreformproteste zusammenschlugen und eine Journalistin, die den Fall dokumentierte, ebenfalls angriffen, hat die Justiz in Rennes ein Verfahren gegen Darmanins Spezialeinheit CRS-8 eröffnet. Die Internetplattform Mediapart berichtete zuerst über den Fall. Stimmen zur Auflösung der Einheit, die nicht als einzige in der Kritik steht, verdichten sich. Am 15. April 2023, einem Aktionstag gegen die Rentenreform, lief ein Einsatz in der bretonischen Stadt Rennes derart aus dem Ruder, dass nun gleich mehrfach wegen „Körperverletzung im Amt“ ermittelt wird. Die Foto-Journalistin Anna Margueritat wurde von der Einheit körperlich an der Arbeit gehindert. Mitglieder der CRS-8 richteten in Rennes sogar einen Granatwerfer auf ihren Kopf.

Die neue Sondereinheit der „Republikanischen Sicherheitskompanie CRS“ wurde am 1. Juli 2021 vom Innenministerium Darmanin ursprünglich als „Experiment“ initiiert, um „eine flexible Spezialeinheit“ innerhalb kürzester Zeit „in ganz Frankreich einsetzen zu können“. Seither verzeichnen die rund 200 „8er“ zahllose Einsätze, von denen laut dem aktuellen Bericht nur ein Bruchteil dem Kernziel, gegen „besonders gewaltsame Ereignisse“ vorzugehen entspricht. Mehrere Medien berichten über einen gewissen Frust bei der Truppe. Bei vielen ihrer Einsätze entsprächen die Ausschreitungen „nicht den Ansprüchen“ der Spezialeinheit. Die im Département Yvelines südlich von Paris stationierte CRS-8 kam so, nebst Einsätzen gegen bewaffnete Auseinandersetzungen in Marseille oder der scharf kritisierten Räumung von Obdachlosen- und Geflüchtetenlagern auf Mayotte, auch auf einfachen Demonstrationen hinzu. Die CRS, deren Vorgängerorganisation die paramilitärisch organisierten GMR (Groupes Mobiles de Réserve) im faschistischen Vichy-Regime waren, wurde in den 1960er Jahren durch Einsätze gegen die Jugendbewegung bekannt. Auch die Ermordung des Atomkraftgegners Vital Michalon bei Anti-AKW-Protesten in Malville im Juli 1977 und die teilweise schweren Verletzungen hunderter DemonstrantInnen trugen über Frankreichs Grenzen hinweg zum zweifelhaften Ruf der „Sicherheitskompanie“ bei.

In den vergangenen Jahren, nachdem die Gendarmerie an das Innenministerium gebunden wurde, bahnte sich zusehends die Brutalität dieser militärisch geschulten Einheiten ihren Weg in die Öffentlichkeit. Als Beispiel dienen die Räumungen der besetzten Gebiete um Notre-Dame-des-Landes oder die EInsätze gegen Geflüchtete in und um Calais. Jüngste Umstrukturierungen in Frankreichs Sicherheitskräften brachte außerdem eine neue motorisierte „BRAV-M“-Einheiten hervor. Diese war 2019 als Reaktion auf die Bewegung der Gelbwesten ins Leben gerufen worden. Die auch als „Voltigeurs“ betitelten Motorradeinheiten, die zur „Repression gewaltförmiger Aktionen“ als eine Art BFE auftreten sollten, ähneln den Motorradeinheiten, die das iranische Regime gegen Oppositionelle einsetzt. Die Vorgängereinheit der BRAV-M war 1977 geschaffen worden und trug unter anderem die Verantwortung am Mord an Malik Oussekine am 6. Dezember 1986.

Ob „BRAV-M“, „Gardes Mobiles“ der Gendarmerie, BAC-Zivileinheiten in den Vorstädten oder die nun im Fokus der Öffentlichkeit befindlichen „CRS-8“; Frankreichs Entwicklungen in der Innenpolitik sind in den Augen zahlreicher Menschenrechtsorganisationen wie der Menschenrechtsliga LDH Ausdruck einer „Militarisierung der Sicherheitspolitik“. Auch international wurde zuletzt Kritik von JournalistInnen-Verbänden laut, deren Arbeit in Frankreich besonders schwerfällt. Noch am 28. März, wenige Tage nach den massiven Polizeiausschreitungen gegen UmweltschützerInnen in Sainte-Soline, verurteilte ein pariser Gericht den Staat zu einer Geldstrafe wegen Polizeigewalt.

In einem der zahllosen Fälle schwerverletzter ZivilistInnen in Macrons Frankreich, wurde festgestellt, dass der polizeiliche Einsatz von Gummigeschossen für die Erblindung eines 23-Jährigen in 2019 südlich von Paris verantwortlich war. Damals gab es größere Spannungen in Mantes-la-Jolie, bekannt für einen Großeinsatz, in deren Folge dutzende SchülerInnen mit dem Gesicht zur Wand im Innenhof einer Schule knien mussten. Die Yvelines scheinen für das Innenministerium ein privilegiertes Feld zum Aufbau einer Stimmung der Furcht zu sein. Das Verfahren gegen die dortige Sondereinheit, was nun in Rennes stattfindet, erscheint als ein zaghafter Versuch der wachsenden staatlichen Gewalt in Frankreich Grenzen aufzuzeigen. Erfolgreiche Klagen, egal gegen welche Einheit, bleiben eine Seltenheit. LS