Allianzwechsel und politisch gemachter Hunger in Sudan

Allianzwechsel und politisch gemachter Hunger in Sudan

Während die Welt wie gebannt nach Gaza schaut, werden andere Konflikte fast nicht mehr beachtet, wozu der „Bürgerkrieg“ (das Wort ist wie meistens wenig angemessen, denn es kämpfen eigentlich Warlords um Macht und Geld) in Sudan zählt. Während die Bevölkerung von einer gemachten extremen Hungersnot und von Gewalt betroffen ist, schmieden die Warlords ihre Allianzen.

 

Hier ist ein beachtenswerter Wechsel in den Allianzen zu beobachten. Ende April besuchte der stellvertretende russische Außenminister Mikhail Bogdanov, der auch eine spezielle Zuständigkeit für Afrika hat, zum zweiten Mal innerhalb eines Monats Port Sudan und sprach dort mit dem Putschgeneral Abdel Fattah al-Burhan. Bogdanov beteuerte dabei seine Unterstützung für die Militärregierung. Das war nur nebenbei auch eine Legitimierung des Putschregimes als vielmehr eine bemerkenswerte Klatsche für Moskaus ehemaligen Alliierten in Sudan Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti. Hemedti ist der Anführer der Rapid Support Forces (RSF). Sowohl al-Burhan als auch Hemedti waren in den Völkermord in Darfur verwickelt, dem 2003 nach Schätzung der UN 300 000 Menschen zum Opfer fielen. Die RSF ist aus den Janjawid-Milizen hervorgegangen, die den Völkermord vor allem ausgeführt hat. Trotz dieser Herkunft erhielt die RSF zumindest zeitweise auch Förderung der EU, um Flüchtlinge bzw. Migrant*innen auf dem Weg Richtung Mittelmeer zu stoppen. Am 25. Oktober 2021 stürzte al-Burhan im Einvernehmen mit Hemedti den zivilen Ministerpräsidenten Abdalla Hamdok. Er versprach Wahlen 2023. Doch im April 2023 brach ein offener Krieg mit Hemedtis RSP aus. Beide Streitkräfte waren ähnlich stark. Hemedti arbeitete mit dem Chef der russischen Wagner Söldner Jewgeni Prigoschin zusammen. Russland profitierte von der Goldförderung in der Region Darfur und Hemedti erhielt dafür Waffen. Wagner lieferte und liefert eventuell noch immer Waffen von den Vereinigten Arabischen Emiraten über die Zentralafrikanische Republik an die RSF. Der Fortgang der Goldgeschäfte ist aber nach dem Tod Prigoschins im August 2023 nicht ganz klar. Wohl um Russland bei den Geschäften mit Hemedti zu stören und um einen Fuß in einem wichtigen Land Afrikas zu haben, unterstützte die Ukraine al-Burhan mit Drohnenangriffen auf die RSF.

 

Nach Einschätzung der in Großbritannien ansässigen Nachrichtenseite Middle East Eye plant Russland keinen totalen Frontwechsel, sondern Beziehungen nach beiden Seiten. Tatsächlich sehen Bogdanovs kurz nacheinander erfolgten Visiten in Port Sudan ein wenig so aus, als müsste er neue Turbulenzen in den Beziehungen noch rasch kitten, nachdem sein Chef Sergej Lawrow bei einer Visite in der Hauptstadt Khartum im Februar bereits die Unterzeichnung eines Vertrages über einen Marinestützpunkt in Port Sudan verkündet hatte. Al-Burhan kontrolliert Port Sudan. Einen Marinestützpunkt in Port Sudan strebt Russland mindestens seit 2017 an, nur der Sturz des Langzeitpräsidenten Umar al-Baschir im April 2019 und die Wirren danach kamen dazwischen. Außerdem dürfte der Kreml die Absicht haben, den ukrainischen Einfluss in Sudan zu stoppen. Schließlich ist Moskau mit seiner Annäherung an al-Burhan nicht allein. Vor allem Iran unterstützt al-Burhan mittlerweile intensiv. Es geht wohl um Einfluss rund um den neuen Weltkrisenteich Rotes Meer - Stichworte: Jemen und Huthi. Auch die Türkei, die mit Umar al-Baschir einst einen wichtigen Verbündeten verloren hatte, strebt danach, nun ihre Beziehungen zu al-Burhan auszubauen und strebt ebenfalls nach einem Marinestützpunkt. Auch zu China hat al-Burhan Beziehungen. China hat in Sudan stark investiert und bezieht 10% seines Öls aus dem Land. Deshalb ist China auf al-Burhan angewiesen, der den Zugang zum Roten Meer kontrolliert, während Hemedti vor allem Gebiete im Südosten kontrolliert, wo auch besagte Goldminen liegen.

 

Während beide Kriegsparteien ihre Allianzen versuchen aufrechtzuerhalten bzw. auszubauen, bei Hemedti sind das vor allem die Emirate und Saudi Arabien, leidet die Bevölkerung unter dem Krieg und insbesondere in Darfur auch unter rassistisch motivierter oder verbrämter Gewalt. Am Sonntag warnte das UN World Food Programme (WFP) vor extremem Hunger in Darfur. Wegen Kämpfen in el-Fasher musste der WFP Lastwagen mit Lebensmittel aus dem Tschad stoppen. Die Regierung al-Burhans hat für Lieferungen über Port Sudan bürokratische Hürden aufgebaut. Nach Angaben des WFP sind 1,7 Mio. Menschen in Darfur von Hunger bedroht. Die Lage sei so extrem, dass Menschen Dinge wie Gras und Erdnussschalen essen würden. In Darfur war es auch nach Beginn der Kämpfe zwischen al-Burhan und Hemedti zu Vertreibungen und Massakern gekommen, von denen die schwarzafrikanische Bevölkerung betroffen ist.

Der Hunger in Darfur ist nur die extreme Spitze des Eisberges. Nach Angaben des WFP vom Februar 2024 reicht es bei 95% der sudanesischen Bevölkerung nicht für eine tägliche Mahlzeit. Hunger wird wie im Falle von Darfur als Waffe gegen Gebiete eingesetzt, die man nicht oder nur unzureichend kontrolliert.

 

Das ganze trifft eine Bevölkerung, die jahrelang friedlich unter großen Opfern für eine zivile Regierung und gegen das Scharia-Recht gekämpft hat. Besonders aktiv waren dabei Gewerkschaften und insbesondere Frauen. Aber sie hatten keine internationalen Verbündeten oder allenfalls sehr laue und nun schaut auch die Weltöffentlichkeit weg.

jk