Sarah Kaminsky über das politische Fälscherleben ihres Vaters und heutige Sicherheitsdebatten: "Wenn reaktionäre Zeitungen finden, dass es gut ist, dann können sich die Menschen vielleicht verändern"

"Wenn reaktionäre Zeitungen finden, dass es gut ist, dann können sich die Menschen vielleicht verändern"

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Quelle: 
wikipedia

Version originale de l'interview en français plus bas.

Papiere fälschen, um Leben zu retten: Das hat Adolfo Kaminsky rund 30 Jahre lang heimlich gemacht.

Angefangen hat er als junger Jude in der französischen Résistance. Er wandte seine selbstgelernten chemischen Fähigkeiten und seinen Tüftlergeist ein, um sich selbst sowie vielen Juden und Widerstandskämpferinnen vor Deportation und Tod zu schützen.

Nach der Befreiung und bis 1971 hat er weiter fast ununterbrochen alle möglichen Papiere gefälscht, auch vermeintlich fälschungssichere. Zunächst um Überlebende der Konzentrationslager die Einreise in Palästina zu ermöglichen, anschliessend im Algerienkrieg um die algerische Befreiungsfront FLN und ihre französischen Unterstützerinnen vor der Repression zu retten. Gegen Ende seiner Untergrundtätigkeit hat er Befreiungsbewegungen und antikoloniale Bewegungen in aller Welt mit gefälschten Papieren beliefert.

Als Idealist und um seine Unabhängigkeit zu bewahren, lehnte er meist ab, für das Fälschen bezahlt zu werden. Daneben musste er also für seinen Unterhalt schuften und auf sein Privatleben grösstenteils verzichten. 1971 hörte er abrupt mit dieser Tätigkeit auf, weil er einen schwer wiegenden Hinweis darauf hatte, dass ihm die Polizei oder ein Geheimdienst auf der Spur war. Erst mit rund 50 fing für ihn ein Leben jenseits des Untergrunds an.

Seine Tochter Sarah Kaminsky hat vor wenigen Jahren ein eindrucksvollen Roman über die aussergewöhnliche Geschichte ihres Vaters veröffentlicht, auf deutsch unter dem Namen: Adolfo Kaminsky, ein Fälscherleben. Im Rahmen einer Ausstellung der Aktionskunstgruppe hat sie am Montag eine Lesung im Centre Culturel Francais von Freiburg gehalten.

Radio Dreyeckland hat am Rande ihrer Lesung mit ihr über ihr Buch und ihre Sicht auf heutige Entwicklungen gesprochen. Wir haben sie zunächst gefragt, wann und wie genau sie die Vergangenheit ihres Vaters als Fälscher erfahren hat:

5:32

Bei der OAS, die in einer Frage erwähnt wird, handelt es sich um die "Organisation Armée Secrète", eine rechtsterroristische Organisation, die am Ende des Algerienkriegs und danach tödliche Anschläge verübte, um die Entkolonialisierung Algeriens zu verhindern.

Vous pouvez écouter l'interview avec Sarah Kaminsky (auteure du livre "Adolfo Kaminsky - Une vie de faussaire" sur l'engagement de son père de la Résistance à 1971) en version originale en français ici. Radio Dreyeckland lui a d'abord demandé quand et comment exactement elle a appris le passé de faussaire de son père: 5:16