Frankreich: Verfassungsgericht begrenzt den "Solidaritätsdelikt" und festigt Prinzip der Brüderlichkeit

Verfassungsgericht begrenzt den "Solidaritätsdelikt" und festigt Prinzip der Brüderlichkeit

Das französische Verfassungsgericht hat das Prinzip der Brüderlichkeit rechtlich gefestigt und die Kriminalisierung von Fluchthilfe begrenzt.

In seiner Entscheidung von Freitag gab das Verfassungsgericht zum ersten Mal eine rechtliche Erklärung des Prinzips Brüderlichkeit, das im französischen Wahlspruch steht. Das Prinzip Brüderlichkeit umfasse die Freiheit, humanitäre Hilfe zu leisten, und zwar ohne Rücksicht auf die Frage, ob sich die geholfene Person regulär auf dem Territorium aufhält. Mit dieser Entscheidung begrenzte das Verfassungsgericht die Fälle stark, in denen die Behörden Menschen wegen humanitärer Fluchthilfe bestrafen dürfen.

Die Verfassungsbeschwerde hatte ein Landwirt eingeleitet, der wegen der Beförderung von 200 MigrantInnen von der italienischen Grenze bis zu seinem Haus zu vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde. Zwei weitere KlägerInnen und ein Dutzend flüchtlingssolidarischen Vereine hatten sich der Verfassungsbeschwerde angeschlossen. In den letzten Monaten und Jahren haben sich die Anklagen und Verurteilungen gegen flüchtlingssolidarische AktivistInnen in Frankreich gehäuft.

Bislang gab ein Paragraph eine begrenzte Liste der Aktionen vor, mit denen Menschen MigrantInnen ohne regulären Aufenthaltsstatus straffrei helfen dürfen. Laut dem Verfassungsgericht müsse diese Liste auf alle Hilfsaktionen ausgeweitet werden, die mit einer humanitären Absicht geleistet werden. Die Liste müsse speziell auch die humanitär motivierte Beförderung von MigrantInnen umfassen.

Der einzige Fall, in welchem das Verfassungsgericht jedoch die Kriminalisierung von humanitärer Hilfe zulässt, ist Hilfe zum Grenzübertritt. Das Verfassungsgericht war der Ansicht, dass diese Art der Hilfe bestraft werden darf, weil sie eine illegale Situation erst entstehen lässt.

(mc)