Tag 3 -- weiter geht es

Tag 3 -- weiter geht es

Von dem Dolan, den ich leider tatsächlich ca. 10 Minuten vor Ende verlassen mußte (ich habe das Ende dann aber einen Tag später noch sehen können) bin ich auf den letzten Drücker noch in den Wettbewerbsbeitrag von Ulrich Seidl, Paradies: Liebe gehuscht. Ich muß zugeben, dies war das erste Werk von Seidl, was ich gesehen habe. Bisher kannte ich nicht einmal den Namen des österreichischen Regisseurs. Aber neugierig gemacht durch Redaktionskollegen Andreas ist dieser Film schnell auf der Liste der zu sehenden Oeuvres gelandet.

Paradies: Liebe ist der erste Film einer Trilogie, welche die Geschichten dreier Frauen derselben Familie erzählen soll. In Teil 1 geht es um Teresa, eine frustrierte, alleinerziehende, übergewichtige Mittfünzigerin, die ihre (ebenfalls reichlich pummelige Tochter, welche in Teil 2 die Hauptfigur sein wird) bei Freunden zurückläßt um Urlaub in Kenya zu machen. Eine Freundin hat ihr ganz überschwenglich von den Liebesdiensten der kenyanischen Männer berichtet, und Teresa ist wild entschlossen, auch eine "Sugar Mama" zu werden. Das heißt, sie ist auf der Suche nach einem jungen, gutaussehenden kenyanischen Liebhaber. Zunächst ist sie noch ein wenig verklemmt und traut sich nicht richtig, doch bald läßt sie sich von einem erfahrenen Kenyaner einwickeln, der ihr genau das sagt, was sie hören möchte. Denn eigentlich ist Teresa nicht auf der Suche nach dem schnellen Sex, sondern sie sucht die wahre Liebe, einen Mann, der durch ihre Augen in ihr Innerstes schaut. Und so ist es am Ende ein gegenseitiges Ausnutzen. Teresa bekommt ihre "Liebe", ihr Kenyaner Geld von ihr.

Dadurch, daß Seidl ganz nah an seinen Figuren bleibt, hat man als Zuschauer immer wieder ein Gefühl der Unerträglichkeit. Man möchte sich fremdschämen für Teresa, für die Frauen, die die afrikanischen Männer nur deswegen wahrnehmen, weil sie einen Penis haben und bereit sind, diese Frauen, die (ihrer Meinung nach) bei europäischen Männern keine Chance mehr haben, zu "lieben". Aber auch für die Kenyaner, die sich von den Frauen aushalten lassen, sich gewissermaßen prostituieren, obwohl Frau und Kind zu Hause warten. Paradies: Liebe ist großartig und sehr intensiv gespielt. Ein Film, der auf jeden Fall zum Nachdenken anregt und noch lange in den Gedanken nachhallt.

Seidl ist auch in Deutschland kein unbeschriebenes Blatt, so bleibt zu hoffen, daß der Film auch bei uns in die Kinos kommen wird, auch wenn die Kritikermeinung hier in Cannes doch eher durchwachsen ist.

(AP)