Türkei: Neues Zensurgesetz passiert Ausschuss

Türkei: Neues Zensurgesetz passiert Ausschuss

Der Justizausschuss hat ein neues Zensurgesetz ohne Abstriche gebilligt und an die Vollversammlung des Parlaments weitergeleitet. Bisher wurde Zensur in der Türkei in großem Umfang bereits auf dem Umweg über andere Gesetze ausgeübt. Dazu gehören insbesondere die Antiterrorgesetze, Beleidigung des Präsidenten, Beamtenbeleidigung, Hochverrat und angebliche Spionage. Außerdem kann über aktuelle Ereignisse eine Nachrichtensperre verhängt werden. Alleine wegen Präsidentenbeleidigung wurden zehntausende von Verfahren eröffnet. Nun soll dem Strafgesetz das „Verbreiten von fehlerhaften Informationen unter dem Volk“ als neuer Straftatbestand hinzugefügt werden. Dem Pressegesetz wird die Bestimmung hinzugefügt, dass der Presseausweis wegen Verstoß gegen die Grundsätze der Presseethik annulliert werden kann. Die Pressekarte muss ohnehin schon bisher jedes Jahr erneuert werden und die Erteilung erfolgt nicht wie zum Beispiel in Deutschland durch eine gewerkschaftliche Organisation, sondern durch eine Generaldirektion für Presse, Publikation und Information, die dem Amt des Präsidenten untersteht. Internetportale müssen nach dem neuen Gesetz Dementis innerhalb von 24 Stunden verbreiten. Falls sie „unangemessene“ Inhalte nicht löschen, kann der Zugang gesperrt werden.

 

Die linke Zeitung Birgün befürchtet, dass die unbestimmte Formulierung des Tatbestandes zu Zensur und Selbstzensur in den Medien, inklusive sozialer Medien führen wird. Außerdem zitiert sie den bekannten Juristen, Prof. Metin Günday, der darauf hinweist, dass das neue Gesetz im Vorfeld der für nächstes Jahr vorgesehenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Kraft treten soll und zur Inhaftierung von Oppositionspolitiker*innen führen könnte. Ähnliche Bedenken hat auch Prof. Yaman Akdeniz. Er befürchtet, dass das neue Gesetz zur wichtigsten Waffe der regierenden AKP im Wahlkampf 2023 wird. Es könnte Gerichtsverfahren gegen hunderte von Menschen wegen der Verbreitung von angeblich fehlerhaften Nachrichten geben und auch Verfahren gegen solche, die sagen, dass das übertrieben sei. Es werde beabsichtigt, ein „Klima der Angst“ zu erzeugen.