Türkei lässt Ultimatum des Europarates zur Freilassung von Osman Kavala verstreichen

Türkei lässt Ultimatum des Europarates zur Freilassung von Osman Kavala verstreichen

Der Forderung des Europarates, den türkischen Philanthropen Osman Kavala bis spätestens 30. November freizulassen, ist die Türkei offenbar nicht nachgekommen. Kavala war ein bekannter Förderer der Kultur und der Zivilgesellschaft in der Türkei. Mit der von ihm geleiteten Stiftung Anadolu Kültür hatte er kein Problem, auch Publikationen zu politisch heißen Themen zu fördern. Dazu gehörte auch der Völkermord an den Armenier*innen im 1. Weltkrieg und die Kultur der kurdischen Minderheit und anderer Minderheiten in der Türkei. Vor gut vier Jahren wurde Kavala inhaftiert. Ihm wird zur Last gelegt, die sogenannten Gezi-Proteste des Jahres 2013 organisiert zu haben. An den Protesten, die sich an der von Erdogan persönlich gewünschten Überbauung des zentralen Gezi-Parks in Istanbul entzündeten, nahmen ca. dreieinhalb Millionen Menschen teil. Dies wertete die Anklage als versuchten Staatsstreich. Außerdem wird Kavala Spionage vorgeworfen, schließlich unterhielt die Anadolu Kültür Beziehungen zu Stiftungen im Ausland. Kavala sieht den Vorwurf der Spionage als einen Versuch, die türkische Zivilgesellschaft von Kontakten mit dem Ausland abzuschrecken.

 

Im Dezember 2019 forderte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in einem Urteil die sofortige Freilassung von Osman Kavala. Die Türkei ist als Mitglied des Europarates dazu verpflichtet, das Urteil umzusetzen. Im Februar 2020 sprach ein Gericht Kavala mangels Beweisen frei. Doch auf dem Weg aus dem Gefängnis wurde Kavala erneut festgenommen. Diesmal soll er sich am Putschversuch 2016 beteiligt haben. Gegen die Richter, die ihn freigesprochen hatten, wurde ein Verfahren eingeleitet. Im Oktober diesen Jahres forderten die Botschafter von 10 Ländern, darunter die Botschafter der USA, Frankreichs, Kanadas und Deutschlands, in einer gemeinsamen Erklärung die Freilassung von Kavala. Darauf sagte Erdogan, die Botschafter würden zu unerwünschten Personen erklärt und müssten das Land verlassen. Diese Ankündigung setzte der Präsident aber nicht um.

 

Ein ähnlicher Fall ist der des kurdischen Politikers Selahattin Demirtas. Auch seine Freilassung wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sogar mehrfach gefordert. Doch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte wenden immer neue Tricks an, um dies zu umgehen.