Türkei: Lächerliches Urteil nach Schüssen auf den Journalisten Can Dündar

Türkei: Lächerliches Urteil nach Schüssen auf den Journalisten Can Dündar

Am 6. Mai 2016 versuchte ein Attentäter vor einem Gerichtsgebäude in Istanbul auf den bekannten Journalisten Can Dündar zu schießen. Dündar blieb unverletzt, weil sich seine Ehefrau und ein oppositioneller Abgeordneter geistesgegenwärtig auf den Attentäter gestürzt hatten. Deshalb konnte dieser seine ersten beiden Schüsse nicht ruhig abdrücken und kam zu keinem weiteren Schuss. Ein Fernsehjournalist wurde aber am Bein verletzt. Gestern hat ein Gericht in Istanbul, den Attentäter zu einer milden Strafe wegen Bedrohung mit einer Waffe, vorsätzlicher Körperverletzung und illegalem Waffenbesitz verurteilt. Auf die Strafe wurde dann noch einmal eine Reduktion wegen des guten Zustandes des Angeklagten angewandt, so dass am Ende eine Strafe von zwei Jahren, drei Monaten und 15 Tagen herauskam. Dazu eine Geldstrafe von umgerechnet 50 Euro. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Bei einem ersten Verfahren hatte sich ein Gericht geweigert, den Attentäter wegen des Angriffs auf Can Dündar überhaupt zu verurteilen, da die Tat ja nur bei einem Versuch geblieben sei. Dieser Linie ist das Gericht wohl weitgehend treu geblieben.

 

Can Dündar hatte den Zorn von Präsident Erdogan erregt, weil er als Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet Fotos von einer Waffenlieferung des türkischen Geheimdienstes an einen vom Islamischen Staat kontrollierten Grenzübergang nach Syrien veröffentlicht hatte. Damit überführte er auch Erdogan der Lüge, der monatelang behauptet hatte, es habe sich um humanitäre Güter gehandelt. Darauf zeigte ihn der Präsident persönlich wegen Spionage an und prophezeite ihm im Fernsehen eine harte Strafe. Es folgten Anzeigen wegen Beleidigung des Präsidenten und seiner Söhne. Can Dündar drohte eine Verurteilung zu lebenslanger Haftstrafe. Ihm gelang es nach Berlin zu fliehen. Auf Twitter kommentierte er das Urteil sarkastisch: „Was es nicht für gute Richter gibt, nicht wahr? (...) Der liebevolle Richter hat auch noch Strafminderung wegen guter Führung angewendet und die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Der Mann ist ohnehin frei. Allen Attentätern zur Kenntnis.“

Am Mittwoch berichtete der türkische Journalist Erk Acarer, der aus den gleichen Gründen wie Can Dündar gezwungen ist, in Berlin zu leben, von einem Überfall auf ihn. Im gemeinsamen Hof des Hauses in dem er in Berlin lebt, hätten ihn drei Männer mit Fäusten und Messern angegriffen. Einer habe ihm zugerufen: „Das wirst du nichtmehr schreiben!“ Wegen vieler Zeugen hätten die Männer dann ihre Waffen doch nicht eingesetzt und seien geflohen. Im Krankenhaus hätten sich seine Verletzungen als nicht gefährlich herausgestellt. Ein Foto zeigt ihn mit Verletzungen an Mund und Nase, die nach Schlägen aussehen. Acarer sagte, mit dem Überfall wolle Erdogan eine direkte Botschaft senden, nämlich dass die Türkei „einen regimekritischen Journalisten auch in Berlin angreifen könne“. Acarer schreibt als Kolumnist für die Linke Zeitung BirGün, die zu den wenigen verbliebenen regierungskritischen Printmedien gehört. Seine klaren Analysen werden von vielen geschätzt.