Türkei "begründet" U-Haft für Deniz Yücel

Türkei "begründet" U-Haft für Deniz Yücel

Die Türkei hat am Dienstag - einen Tag vor Ablauf der verlängerten Frist dazu - beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EuGM) ihre Begründung für die U-Haft des Korrespondenten der Zeitung Die Welt, Deniz Yücel abgegeben. Nach einem Bericht der Welt von Freitag wird darin Deniz Yücel Terrorpropanganda und Volksverhetzung vorgeworfen. Laut Die Welt beziehen sich alle Anschuldigungen lediglich auf Artikel, die Deniz Yücel geschrieben hat. Insbesondere bezieht sich die türkische Regierung auf ein Interview mit dem PKK-Kommandanten im Irak, Cemil Bayik. Deniz Yücel habe damit die "Gewalttaten der Terrororganisation gutgeheißen". Er habe die PKK außerdem als "legitime Organisation erscheinen lassen."

Der türkische Präsident Tayyip Erdogan hatte im April gegenüber dem türkischen Fernsehsender TGRT zu Yücels angeblichen PKK-Verbindungen erklärt: "Uns liegt Bildmaterial und das alles vor. Das war ein richtiger Agent, ein Terrorist.“ Das klingt, als sei er bei einem heimlichen Treffen fotographiert worden, bezog sich aber wahrscheinlich einfach auf das Interview, das ja veröffentlicht wurde und in dem Deniz Yücel dem PKK-Kommandanten durchaus unangenehme Fragen gestellt hat.

Außerdem argumentiert die türkische Seite, der EuGM müsse die Klage nach dem Subsidiaritätsprinzip abweisen, weil die Klage von Deniz Yücel vor dem türkischen Verfassungsgericht nicht abgeschlossen sei. Dass das Verfassungsgericht in 8 Monaten nichts unternommen hat, wird damit verteidigt, dass das Gericht wegen des Ausnahmezustandes überlastet sei. Dass das EuGM die Klage überhaupt angenommen hat, zeigt allerdings, dass man/frau auch in Straßburg Zweifel daran hat, dass der innere Rechtsweg ausreichend fair ist.

Die türkische JournalistInnengewerkschaft TGS führt eine Liste der in der Türkei inhaftierten JournalistInnen, auf der derzeit (1. 12. 17) 150 Namen eingetragen sind. Gegen viele weitere gibt es Verfahren wegen ihrer Tätigkeit in den Medien, die mit hohen Freiheitsstrafen enden können.

Am heutigen Freitag forderte die Staatsanwaltschaft lebenslange Haft für den Journalisten und Abgeordneten Deniz Berberoglu. Er wird beschuldigt, der Zeitung Cumhuriyet Fotos von einem Waffentransport des türkischen Geheimdienstes in vom Islamischen Staat kontrolliertes Gebiet in Syrien gegeben zu haben, die die Zeitung dann veröffentlichte.

jk

PS: Nach einer Meldung des Spiegel hat Erdogan die Freilassung von Yücel im Gegenzug für die Auslieferung türkischer Offiziere angeboten, die nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 in Deutschland Asyl beantragt haben. Im August wurde in der Türkei ein Gesetz verabschiedet, dass dem Staatspräsidenten tatsächlich die Möglichkeit zu einem solchen Austauasch gibt, wenn die Regierung dies vorschlägt. Angesichts der Verhältnisse in Ankara ist das aber keine wirkliche Einschränkung.