Salzstock Gorleben soll verfüllt werden | Skepsis nicht zerstreut

Salzstock Gorleben soll verfüllt werden | Skepsis nicht zerstreut

Im Jahr 1977 wurde der Salzstock Gorleben völlig willkürlich und ohne Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse als "End"-Lager auserkoren. Diese Entscheidung verkündete der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht im Einvernehmen mit der SPD-geführten Bundesregierung unter Helmut Schmidt. Über vier Jahrzehnte dauerte der Kampf der Anti-AKW-Bewegung gegen diese Festlegung. Nun gab die Bundesregierung bekannt, daß der im September 2020 aus dem aktuellen Auswahlverfahren gestrichene Salzstock Gorleben verfüllt werden soll. Es bleiben allerdings einige Gründe für Skepsis.

Am heutigen Freitag, 17.09.21, gab das Bundes-"Umwelt"-Ministerium bekannt, daß die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) mit der Stilllegung des Bergwerks beauftragt wurde. Im September 2020 war Gorleben wegen der offenkundigen geologischen Mängel aus dem im Jahr 2013 neu gestarteten "End"-Lager-Such-Verfahren ausgeschieden.

113 CASTOR-Behälter mit hochradioaktivem Atommüll stehen allerdings nach wie vor in einer oberirdischen Leichtbauhalle in der Nähe des Salzstocks. Sie wurden zwischen 1995 und November 2011 mit CASTOR-Transporten nach Gorleben gekarrt. Die insgesamt 13 CASTOR-Transporte ins Wendland waren heftig umstritten und Anlaß für die Proteste hunderttausender Menschen. Die rücksichtslose staatliche Gewalt war ursächlich für gewalttätige und gewaltfreie Auseinandersetzungen und Blockaden.

Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundes-"Umwelt"-Ministerium äußerte heute einige Worte, die versöhnlich klingen: "Ich hoffe, daß im Wendland nun die Wunden heilen können, die der jahrzehntelange Streit um Gorleben gerissen hat." Gorleben habe für einen "gesellschaftlichen Großkonflikt" gestanden. Daraus habe die Politik gelernt: "Am Ende muß gut nachvollziehbar sein, aus welchen Gründen ein Standort gewählt wurde."

Doch die Menschen im Wendland und große Teile der deutschen Anti-Atom-Bewegung bleiben skeptisch. Die im Jahr 2013 neu gestartete "End"-Lager-Suche erfüllt offenkundig nicht die propagierten Kriterien wie Öffentlichkeitsbeteiligung, Ausrichtung nach wissenschaftlichen Erkenntnissen oder gerichtlicher Überprüfbarkeit. Eine Kontrolle durch die verfassungsmäßige Dritte Gewalt, die Justiz, wurde gesetzlich ausgehebelt.

Auch anhand der Vorgänge in Würgassen zeigt sich, daß Staatssekretär Jochen Flasbarth und Bundes-"Umwelt"-Ministerin Svenja Schulze völlig unglaubwürdig sind. Dort kam im März 2020 ans Tageslicht, daß ein als "Logistikzentrum" ausgewiesenes Projekt in Wahrheit eine Atommüll-Lager-Projekt ist.

Die Standortauswahl für Würgassen erfolgte unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Die für die Sicherheit relevanten Vorgaben des Bundes wurden mehrfach mißachtet. Weder der Landkreis, die Kommune, noch die AnwohnerInnen erlangten zuvor Kenntnis vom Atommüll-Lager-Projekt Würgassen. Die bekannten Standortmängel werden bis heute bagatellisiert oder ignoriert. Ein Standortvergleich unter Aspekten der Transportsicherheit, des Strahlenschutzes von AnwohnerInnen - auch entlang der Transportstrecken - und der Umweltverträglichkeit hat nie stattgefunden.

Im Falle Gorleben kommt ein weiterer Grund für Skepsis hinzu: In der heutigen Verlautbarung heißt es zwar, die Salzhalde solle "wieder unter Tage verbracht werden". Damit bleibt jedoch offen, ob zum Verfüllen ausschließlich dieses Salz verwendet wird. In vielen anderen Bergwerken in Deutschland wurde Giftmüll eingelagert - darunter auch radioaktiver Atommüll, der zuvor als "freigemessen" deklariert wurde. Eine solche Verfüllung mit Atommüll gilt dann offiziell als "Verwertung" und der Müll als "Wertstoff". Denn nach offizieller Terminologie wird der Müll in die unterirdischen Stollen verfüllt, um diese so zu "stabilisieren".

Und weiterhin ist völlig unklar, was auf die Dauer mit den 113 CASTOR-Behälter in Gorleben geschehen soll. Die Lagerung der CASTOR-Behälter ist dort nur bis zum Jahr 2034 genehmigt. Eine Einlagerung in ein zukünftiges geologisches Tiefenlager irgendwo in Deutschland kann jedoch laut den Plänen der Bundesregierung frühestens 2050 beginnen. Es ist zudem damit zu rechnen, daß das gegenwärtige Such-Verfahren nach einem "End"-Lager für hochradioaktiven Atommüll erheblich länger dauert, als veranschlagt. Doch allein zwischen 2034 und 2050 müssen 16 Jahre mit dem Umfüllen des Atommülls in neue Behälter überbrückt werden, wofür bis heute keine technische Vorsorge getroffen wurde. Dabei ist noch völlig ungeklärt, ob die aktuell eingesetzten CASTOR-Behälter der Neutronen-Strahlung des Atommülls überhaupt bis 2034 standhalten werden.