Warschau, am 11.11.2020: Polnischer Unabhängigkeitstag durch schwere Ausschreitungen begleitet

Polnischer Unabhängigkeitstag durch schwere Ausschreitungen begleitet

Coronabedingt sollte eigentlich nur ein Autokorso stattfinden. Eine Demonstration war nicht erlaubt. Doch nur ein Bruchteil folgte dem Aufruf zum Autokorso. Die überwiegende Mehrheit hielt einen "spontanen Spaziergang" ab, ein Vorgehen, das der feministischen Bewegung Polens nachgeahmt wurde. Aufgrund der Pandemie kamen deutlich weniger zu der nationalistischen Versammlung, als die Jahre zuvor, und deutlich weniger Familien. Dennoch zog der Unabhängigkeitsmarsch tausende Rechte auf die Straßen.

Das 10 jährige Jubiläum der Veranstaltung begann mit einer Kundgebung im Zentrum von Warschau. Es redeten Vertreter der Nationalen Bewegung (ultranationalistische Partei), der Allpolnischen Jugend (eine rechtsextreme und antisemitische Jugendorganisation) sowie dem Veranstalter des Marsches, Robert Bąkiewicz. Tagespolitisch wurde in der ersten Rede ein Ende des Lockdowns geforderte und gegen Linke und gemäßigtere Rechte agitiert. Der zweite Redner warnte davor, polnische Fußballvereine würden wie in Deutschland "Antifa" werden. Es müsse einen patriotischen Aufruhr dagegen geben und die Jugend solle sich täglich katholischer Traditionen besinnen. Mit Nationalstolz solle sie für ihr Land kämpfen, gegen die "westliche Dekadenz". Auch der Organisator wähnte sich in einem Kriegszustand, ausgelöst von der linken Bewegung (in Bezug auf den Allpolnischen Frauenstreik). Für ihn gelte es jedoch den Krieg zu gewinnen, indem man auf die Gegner*innen zuginge, in der Tradition der christlichen Nächstenliebe. Wie schnell diese endet zeigte sich jedoch sehr bald.

Der durch die ultranationalistische Gruppierung ONR (Nationalradikales Lager) angeführte "Spaziergang" eskalierte keine 20 Minuten nach Beginn. Es kam dabei zu massiven Ausschreitungen zwischen nationalistischen Hooligens und der Polizei. Die Nationalist*innen griffen die Polizeikräfte mit Feuerwerk, Flaschen, Blumenkübeln und anderen Gegenständen an. Diese antwortete mit Tränengas und Gummigeschossen. Bis zu der Eskalation hatte sie sich weitgehend zurückgehalten. Es kam außerdem zu mehreren Attacken auf Journalist*innen und zu teilweise schwer Verletzten.

Der Marsch endete am Stadion Narodowy [Nationalstadion], die Auseinandersetzungen dauerten über mehrere Stunden.

Bei dem durch Rechtsradikale veranstalteten Unabhängigkeitsmarsch kommt es fast jährlich zu ähnlichen Szenen. 2013 wurde von einem rechten Mob beispielsweise versucht ein zentral gelegenes besetztes Haus (Przychodnia) zu stürmen. Der Angriff konnte durch Antifaschist*innen jedoch abgewehrt werden, die sich auf dem Dach verschanzt hatten.