« Occupy Cannes ! » – Zombies und Atommüll-Monster erobern Cannes !
Troma, die unverwüstliche kleine Produktionsfirma, die seit Jahrzehnten im amerikanischen Independent- bzw. Undergroundbereich die wüstesten Streifen vom Stapel läßt, ist zurück in Cannes. Kult-Regisseur und Troma-Gründer Lloyd Kaufman hat bei der Gelegenheit selbstredend auch eine neue Produktion mitgebracht : « Return to : Nuke’m High – Volume 1 » heißt das schillernde Machwerk, das in gewohnt kritischer Weise Stellung bezieht zu den aktuellen Problemen unserer Zeit. Diesmal geht es darum, dass auf dem Boden eines ehemaligen Atommülllagers eine Fabrik für Bioprodukte gebaut wird, und die skrupellosen Produzenten beliefern mit ihrem strahlenden « organic food » eine High-School.
Das führt zu den interessantesten Wucherungen und Mutationen, so dass bald ein ansehnliches Sortiment an höchst eigenwilligen Kreaturen die Gänge der Schule bevölkern – und der Unterricht ist garantiert nie mehr langweilig !
Der schlitzohrige Lloyd Kaufman, bekannt vor allem durch seine Regiearbeit an der längst legendären Originalfassung des « Toxic Avengers » von 1984/85 (bekannt auch unter dem Titel « Atomic Hero » - und vor einigen Jahren ausgezeichnet auf dem Freiburger Ranchwood-Festival des aka-filmclubs !), schafft es immer wieder, seinem populärkulturellen Trash eine hintersinnig-subversive und tatsächlich auch gesellschaftskritische Note zu verpassen.
Siehe : http://de.wikipedia.org/wiki/Atomic_Hero oder: http://www.toxicavenger.com
Um dem versnobten Festival ein bisschen in den Hintern zu treten und bei der Gelegenheit auch gleich die seiner Ansicht nach verkrusteten Strukturen des Festivals und des gesamten Filmmarktes ins Wackeln zu bringen, hat Kaufman mit seinen Troma-Genossinnen und -Genossen eine kleine, aber entschlossene Demonstration organisiert :
Unter dem Motto « Occupy Cannes ! » wanderten Zombies und Gummi-Monster, aber auch Troma-freundliche Punks und engagierte Trash-Anhänger aus aller Welt gemeinsam mit Kaufman über die Croisette, um eine Öffnung des Filmmarktes und der Kinoketten für innovative Independent-Produktionen und das Low-Budget-Filmschaffen zu öffnen.
Was auf den ersten Blick nach einem Marketing-Gag aussehen mag, hat aber noch eine andere, grundsätzlichere Seite : Wie Lloyd Kaufman im Gespräch dem RDL-Team verriet, hält er das System, das den gewerblichen Filmmarkt, die großen Festivals und die Verwertungskette von den großen Studios über die globalisierten Kinoketten bis zu den DVD- und Fernsehrechte-Verwertern für ein mafiöses System, das genau das verhindert, was eigentlich die größte Chance des aktuellen Filmschaffens sein müßte : Dass Kreative mit eigenen Ideen, junge Leute mit geringen finanziellen Mitteln und Künstler jenseits des Mainstreams dank der neuen Möglichkeiten von Digital-Video neue Filme realisieren und, wenn dabei interessante Werke entstehen, diese auch ins Kino bekommen. Was im Internet längst möglich ist, finde auf Festivals und im Kino kaum bzw. gar nicht statt. Denn hier, so Kaufman, kontrolliert die etablierte Elite die Verwertungsketten und gemeinsam mit den Fernsehsendern auch den Zugang zu den staatlichen Fördertöpfen.
Frustration eines vom Mainstream abgelehnten Filmrebellen oder berechtigte Kritik an den etablierten Strukturen des Kinomarktes ? Marketing-Koketterien oder kritischer Einsatz der Outsider für ein neues Kino?
Wie auch immer: Ohne beherzte Studios wie Troma wäre die Filmwelt um einige ungewöhnliche Produktionen ärmer und um noch mehr konformen Mainstream reicher !
Und wer würde dann so engagiert einschreiten und schonungslos aufdecken, dass Bio-Produkte auf dem Gelände eines ehemaligen Atommülllagers hergestellt werden und dass nichtsahnende SchülerInnen das dann…
Es ist ein Skandal !
Danke, Troma !!
Occupy Cannes !!!
Alexander Sancho-Rauschel