Moka Efti Orchestra beim ZMF

Moka Efti Orchestra beim ZMF

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Joachim Gern

Von Burkhard Finckh

Der zweite Abend auf dem ZMF, das nach zweijähriger Pause wieder stattfinden kann, gehört im Spiegelzelt dem Moka Efti Orchestra featuring Severija, bekannt aus der Serie "Babylon Berlin". Das Konzert ist ausverkauft und man muss fürchten, bei Temperaturen weit über 30 Grad schon vor dem Beginn des Konzertes ins Schwzitzen zu kommen, doch das Spiegelzelt ist gut belüftet – Hut ab, ZMF!
Das Publikum ist bunt gemischt, in der Mehrzahl aber eher um einiges älter als die Mitglieder des Moka Efti Orchesters und es stellt sich die Frage, ob hier die Couch-Potatoes von Netflix gekommen sind oder die Kenner und Liebhaber der Tanzmusik. Das Moka Efti startet jedenfalls fulminant und mit Vollgas, bei zwei instrumentalen Nummern zeigen die ersten Bandmitglieder, was sie drauf haben. Überhaupt ist dies sicher einer der größten Trümpfe der "kleinen" Bigband: alle Musiker sind auch großartige Solisten, und jeder bekommt seinen Moment an diesem Abend. Besonders hervorzuheben seien hier Andreas Dormann, der sowohl am Baritonsax als auch an der Klarinette brilliert, und Trompeter Florian Menzel, dessen Läufe selbst bei hohem Tempo mit Leichtigkeit und Präzision aus dem Horn perlen. Der Freiburger Posaunist Uli Binetsch, der für diesen Abend eingesprungen ist, schlägt sich gut bei den komplexen Arrangements und kann auch als Solist überzeugen, und Sebastian Peszko an der Viola verleiht der Band mit seinen Melodien und Soli nochmal eine ganz besondere Note.
Ein weiteres Highlight ist der Sound der Band, die die Tanzmusik der 20er und 30er Jahre mit dem Klang moderner Bigbands verbindet – geprägt durch den Komponisten, Pianisten und Sänger Nikko Weidemann und den Arrangeur und Saxophonisten Sebastian Borkowski, die an diesem Abend auch stilsicher und unterhaltsam durchs Programm führen. Ein wunderbares Beispiel hierfür ist der Song "Surabaya Johnny", von Kurt Weil und Bertold Brecht 1929 komponiert, heute Abend leidenschaftlich interpretiert von Weidemann, dem die Band einen zeitgenössischen Klangteppich ausbreitet.
Die vielen Instrumente und Stimmen des Orchesters sind gut abgemischt, einzig das Banjo, dessen Part auf dem Offbeat ein ziemlich wichtiger ist, hätte vielleicht eine Spur lauter sein können. Der Wermutstropfen ist der Klang des Klaviers, es hat zuviel Höhen und erinnert an den kalten und zu
harten Sound, den viele Jazzproduktionen in den 80ern hatten. Severija Janušauskaite tritt erst nach einer Weile auf, und singt insgesamt auch nur bei wenigen Liedern, auf ihren Wunsch ohne An- oder Abmoderation. Doch das Moka Efti Orchestra hat sich inzwischen weiterentwickelt und seinen eigenen Sound gefunden, der auch ohne die Sängerin und "Babylon Berlin" funktioniert und trägt. Ihren intensivsten Moment hat Severija, die aus Litauen stammt, als sie die Ballade "Vaskresenje" den Ukrainern "who fight for us" widmet, so intensiv, dass sich für einen Moment ein schwarzes Tuch über alles und jeden im Spiegelzelt legt. Ihr Naturell ist sicher kein fröhliches und unbeschwertes, doch an diesem Abend wirkt sie darüber hinaus weniger energiegeladen als sonst, und beim Schlußsong "Zu Asche, zu Staub" aus "Babylon Berlin", mit dem die Band den Abend beschließt, geht sie stimmlich unter im großen Finale und intoniert streckenweise unsicher. Sollte der Schatten des Ukraine-Kriegs auf ihrer Seele liegen, man kann es ihr nicht verdenken. Das Freiburger Publikum jedenfalls feiert sie und die Band, und die Rückkehr des ZMF nach langer
Pause, jubelt und klatscht frenetisch. Die Musiker strahlen ebenfalls, man merkt ihnen die Freude, auftreten und spielen zu können, an – dass hier, wie in Deutschland und bei der Volksmusik üblich, auf die 1 und 3 geklatscht wird, und die meisten Leute erst ganz am Schluß merken, wie toll das Konzert eigentlich war, fällt nicht mehr ins Gewicht. Das Moka Efti Orchestra schickt sich und sein Publikum mit dem Hochgefühl nach Hause, ein wunderbares Konzert von großartigen Musikern mit einer charismatischen Sängerin erlebt zu haben.