"man wird sehen, ob alles so weitergeht" - ein (Kurz-)Rücktritt ist noch kein Abschied

"man wird sehen, ob alles so weitergeht" - ein (Kurz-)Rücktritt ist noch kein Abschied

Nachdem ein 104 Seiten starkes Dokument der Staatsanwaltschaft offengelegt hat, dass sein Umfeld mit bestellten Umfragen und bestellten Artikeln - bezahlt letztlich aus Steuergeldern - Sebastian Kurz an die Spitze seiner ÖVP und ins Kanzleramt gepuscht hat, musste besagter Kurz, auch weil der grüne Koalitionpartner es so wollte, als österreichischer Kanzler zurücktreten. Zugleich behielt Kurz aber den Vorsitz der Österreichischen Volkspartei. Dazu muss man wissen, dass sich Kurz als er, via Umfragen zum vermeindlichen Retter seiner Partei erhoben, sich für den Vorsitz besondere Vollmachten ausbedungen hatte. Dazu gehört das alleinige Recht, die Kandidatenliste für Bundeswahlen zusammenzustellen und ein Vetorecht bei weiteren Kandidatenlisten. Zusätzlich zu dieser denkbar starken Position in der Partei hat Kurz nun auch die Führung der Fraktion übernommen. Damit genießt er parlamentarische Immunität und nimmt sogar an Kabinettssitzungen teil. Ganz so als wäre er noch der Kanzler. Schließlich hat er - auch das bei Rücktritten eher unüblich  - seinen Nachfolger bestimmt. Das ist sein farbloser Parteigänger Alexander Schallenberg. Indessen gibt sich Kurz weiter als verfolgte Unschuld und damit als der eigentlich rechtmäßige Kanzler.

 

Radio Dreyeckland sprach mit der Diskursforscherin und Sprachsoziologin Ruth Wodak (Wien). Unter anderem hat Ruth Wodak zu Rechtspopulismus geforscht. Zuletzt ist von ihr in erweiterter Fassung das Buch „Die Politik der Angst. Die schamlose Normalisierung rechtspopulistischen Diskurses“ (2020, frühere Fassungen bereits auf Englisch und Deutsch) erschienen. Das Thema klingt auch im Interview an.