Locarno Blog 6

publikumLocarno - Zurecht ein A-Festival?

Aus Locarno: Angelique Presse

Das Festival ist zur Hälfte rum, Zeit,
ein wenig Bilanz zu ziehen. Zum einen gefällt mir Locarno von Tag zu
Tag besser. Die Stadt ist malerisch, der Lago traumhaft schön, das
Eis, wenn auch nicht ganz preisgünstig, extrem gut, die Menschen
sind gut drauf, und auch das
Wetter hat sich wieder gefangen.

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Locarno - Zurecht ein A-Festival?

Aus Locarno: Angelique Presse

Das Festival ist zur Hälfte rum, Zeit,
ein wenig Bilanz zu ziehen. Zum einen gefällt mir Locarno von Tag zu
Tag besser. Die Stadt ist malerisch, der Lago traumhaft schön, das
Eis, wenn auch nicht ganz preisgünstig, extrem gut, die Menschen
sind gut drauf, und auch das
Wetter hat sich wieder gefangen.

So
sehr, dass ich eigentlich lieber in den See springen würde oder auf
einem Liegestuhl in einer Strandbar gemütlich ein Nickerchen machen
würde. Aber wir sind ja nicht zum Spaß hier! Also renne ich tapfer
weiter mit dem schweren Laptop auf der Schulter durch die heißen
Straßen, eile von Kinosaal zu Kinosaal, nur, um mir in unbequemen
Stühlen den Hintern dermaßen wund zu sitzen, dass ich schon alleine
deswegen die Lust am Kino verlieren könnte. Locarno mag zwar ein A-Festival sein
und damit in einem Atemzug genannt werden mit der Berlinale oder den
Filmfestspielen von Cannes, hat aber sehr viel von der italienischen
Gemülichkeit und Gelassenheit mitbekommen. Meiner Meinung nach an
manchen Stellen ein wenig zu viel. Als eines der wenigen A-Festivals
-- weltweit gibt es gerade mal zwölf Stück --, hat Locarno natürlich auch einen internationalen
Wettbewerb (das ist Voraussetzung dafür, sich bei der FIAPF, der
Fédération internationale des associations de producteurs de
films
“, also der internationalen Vereinigung der Filmproduzenten,
als A-Festival akkreditieren zu können). Die Wettbewerbsfilme werden
allerdings nicht, wie auf anderen großen Festivals üblich, in einem
Kinosaal und in mehr oder weniger festlicher Athmosphäre gezeigt,
sondern das Gebäude ähnelt einer Turnhalle, in welche man ein paar
Plastikstühle hineingestellt hat. Gemütliches hinfläzen und
entspanntes Kinoerlebnis sind so einfach nicht möglich. Nach
spätestens einer halben Stunde fängt der Hintern an wehzutun, kurz
darauf schmerzt der Rücken. Man fängt an, auf dem Stuhl hin und her
zu rutschen, nach einer erträglichen Sitzposition zu suchen. Es gibt
sie nicht. Oder zumindest habe ich sie noch nicht gefunden.
Zwei Filme hintereinander im „Auditorium Fevi“ anzuschauen,
grenzt schon an Masochismus. Irgendwo endet sogar meine
Filmleidenschaft.

Hinzu kommt, dass der Saal nicht (wie
ich es aus Cannes kenne), nach Filmbeginn quasi abgeriegelt wird. Wer
möchte, erhält auch 15 Minuten nach Filmbeginn noch Einlass. Das
mag zwar für Nachzügler ganz praktisch sein, ist aber für die im
Kino sitzenden Zuschauer echt lästig, da die Hostessen (die hier mit
ihren blauen, mit „Staff“ beschrifteten Poloshirts auch eher an
Security-Mitarber erinnern, denn an Hostessen) eifrig mit ihren
Taschenlampen den Weg weisen. Sorry, aber das hat mehr mit
„Filmwoche“ zu tun als mit Filmfestival. Überhaupt mögen es
einige ja ganz entspannend finden, dass hier eben alles so locker
ist, dass man auch kurz vor Filmbeginn noch in die Kinos kommt, dass
man sich nicht lange anstellen, sich keine Karten besorgen muss. Aber
ich persönlich finde, ein etwas festlicherer Charakter zumindest im
Wettbewerb, würde dem Festival nicht schaden.

Womit wir beim nächsten Punkt wären.
Locarno versteht sich als internationales Filmfestival. Da es in der
italienischsprachigen Schweiz liegt, ist die erste Sprache der
meisten Mitarbeiter hier deswegen auch italienisch. Der Katalog ist
vorbildlich in den drei Landessprachen der Schweiz (das
Rätoromanische hat man hier wegen eines zu geringen
Verbreitungsgrades wohl ausgeklammert), französisch, deutsch und
italienisch sowie außerdem in englisch gedruckt. Aber an dieser
Stelle hört es mit der Internationalität auch schon auf. Die
Mitarbeiter sprechen alle fließend italienisch und wenn man Glück
hat ein paar Brocken englisch. Sicher, manche können auch deutsch
oder französisch, aber irgendwie gerate ich meistens an diejenigen,
die sogar mit englisch überfordert sind. Die Ansagen im Wettbewerb
sind in der Regel – denn das ist offizielle Festivalsprache – auf französisch,
natürlich ohne jegliche Übersetzung. Gut, ich spreche fließend
französisch, mir macht das also nichts aus, aber was ist mit den
anderen internationalen Gästen, jenen aus englischsprachigen oder
asiatischen Ländern? Wie viele von ihnen sprechen wohl französisch
und wie viele vielleicht doch eher englisch? Auch wenn ich selber
allzu häufig der Meinung bin, dass die englische Sprache zu wichtig
genommen wird, dass sie alles dominiert, so denke ich dennoch, dass
sie auf einem solchen Festival vermutlich der kleinste gemeinsame
Nenner ist. Eigentlich sollte man doch meinen, dass die Regisseure
ihre Filme präsentieren möchten, dem Publikum zugänglich machen
möchten. Wenn sie dann aber auf der Bühne stehen und eine flammende
Rede auf italienisch halten, wird ihnen nur ein Bruchteil der
Zuschauer folgen können. Schade eigentlich.