Angeklagt wegen Straßenblockade im Februar 2022: Letzte Generation-Aktivistin erstmalig vor dem Landgericht Freiburg

Letzte Generation-Aktivistin erstmalig vor dem Landgericht Freiburg

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Solidemo mit "Letzter Generation" am 31.05.23 in Freiburg
Solidemo mit "Letzter Generation" am 31.05.23 in Freiburg
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Foto RDL (FK)

Am Morgen des 7. Februar 2022 blockieren 13 Aktivist*innen der Protestbewegung “Letzte Generation” die Auffahrt der B31 an der Kronenbrücke in Freiburg. In Warnwesten und mit Bannern, auf denen “Essen Retten-Leben Retten” steht, bilden sie gegen 8:20 Uhr auf der Straße eine Menschenkette, damit die heranfahrenden Autos zum Stillstand kommen. In regelmäßigen Abständen setzen sich die Demonstrierenden auf die Straße, vier davon kleben sich sogar an. Ihre Forderung: Die Verabschiedung eines neuen Lebensmittelgesetzes in Deutschland, das Supermärkte zur Weiterverteilung unverkaufter Lebensmittel verpflichtet.

Etwa anderthalb Stunden halten die Aktivist*innen die Stellung. Dabei bildet sich ein Verkehrsstau von etwa 6 km auf der B31 sowie Staus in benachbarten Gebieten. Nach einiger Zeit werden die Protestierenden von der Polizei gebeten, die Straße zu verlassen. Als die Durchsagen nicht wirken, werden schließlich mehrere von ihnen weggetragen und die Angeklebten mit Seifenlauge von der Straße entfernt. Kurz nach 10 Uhr ist die Straße wieder frei. Die Protestaktion ist die erste dieser Art in Freiburg, seitdem hat es noch mindestens zehn Straßenblockaden der letzten Generation gegeben.

Eine der 13 Aktivist*innen, die an diesem Februarmorgen auf der B31 für die Verabschiedung des neuen Gesetzes demonstrieren, ist die Freiburger Studentin Sina von der Heyde. Sie forscht in ihrem Masterstudium zur Mensch-Umwelt-Beziehung und ist seit 2022 aktiv bei der letzten Generation. Am 29. November 2023, mehr als anderthalb Jahre nach der Protestaktion, steht sie vor dem Landgericht Freiburg zur Gerichtsverhandlung. Im Mai war sie vor dem Amtsgericht Freiburg verurteilt worden und ist dann in Berufung gegangen. Es ist das erste Mal, dass am Freiburger Landgericht eine Gerichtsverhandlung gegen eine Person von der Letzten Generation stattfindet. 

Sina wurde vor dem Amtsgericht wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 10 Euro verurteilt. Nötigung ist gegeben, wenn ein Mensch mit Gewalt oder durch Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt wird. Unter bestimmten Bedingungen ist diese Nötigung jedoch nicht verwerflich, und die angeklagte Person bleibt straffrei. Sina und ihre Verteidigung sind überzeugt, dass solche Bedingungen bei der Straßenblockade erfüllt waren. Verteidigt wird Sina von einer Rechtsanwältin aus Freiburg und von Zoë Ruge, die auch bei der Protestbewegung aktiv ist und Aktivist*innen bundesweit als Laienverteidigung beisteht. Im Namen der letzten Generation möchten sie die Gerichtsverhandlung nutzen, um Aufmerksamkeit auf die Klimakatastrophe zu lenken und auf die unzureichende Tätigkeit der Politik hinzuweisen. Während der Beweisaufnahme beruft sich Sinas Verteidigung auf die Versammlungsfreiheit und den bestehenden Klimanotstand, der die Protestaktion rechtfertigen soll. Sie appelliert an den Richter, Artikel 20a des Grundgesetzes in den Entscheidungsprozess mit einfließen zu lassen und argumentiert weiter, dass klimawandelbedingte Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen oder Brände den Verkehr weitaus mehr als eine Straßenblockade belasten würden.

Während der Vernehmung erfragt das Gericht den zeitlichen Ablauf der Aktion und ob eine Rettungsgasse im Falle eines Notfalls hätte gebildet werden können. Diese Information soll helfen zu beurteilen, ob die Nötigung, die Sina vorgeworfen wird, tatsächlich verwerflich und daher strafbar ist. Aus Zeitgründen wird die Verhandlung danach vorerst abgeschlossen. Ein Folgetermin wird für Freitag, den 8. Dezember um 9 Uhr vereinbart. Dann soll die Beweisaufnahme geschlossen und das Urteil verkündet werden.

Der Prozess von Sina von der Heyde steht im Kontext von den Gerichtsverhandlungen mehrerer ihrer Mitstreitenden im Laufe der letzten zwei Jahre. Immer wieder stehen Aktivist*innen der Letzten Generation in Folge von Straßenblockaden und anderen Fällen des zivilen Ungehorsams vor Gericht, die Ergebnisse gehen jedoch auseinander. Im Dezember letzten Jahres erhielten beispielsweise zwei Teilnehmer der gleichen Protestaktion an der Kronenbrücke jeweils ein unterschiedliches Urteil: Ein Aktivist wurde freigesprochen, der andere zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Grund: Unterschiedliche Einschätzungen der Richter*innen bezüglich der Frage, ob der Versammlungszweck mit der ausgelösten Behinderung in einem stimmigen Verhältnis stehe. Ein Richter sah einen klaren Zusammenhang zwischen dem Klimaprotest und den betroffenen Autofahrenden, die schließlich zum CO2-Ausstoß und damit der Klimaproblematik beitragen würden. Eine andere Richterin betont, dass die Betroffenen zufällig ausgewählt seien, und nicht proportional zu ihrem Fahrzeug oder ihrem Emissionsausstoß. Eine Vorhersage des Urteils von der Gerichtsverhandlung am Freitag könnte also schwierig werden.