Journalist*innen wehren sich nach abgesagtem Artikel zu Ex-Bild-Chef Reichelt

Journalist*innen wehren sich nach abgesagtem Artikel zu Ex-Bild-Chef Reichelt

Das Verbot einen Artikel über Machtmissbrauch gegenüber jungen Frauen des Bildchefs Julian Reichelt zu veröffentlichen, hat zu einer Art Aufstand des Rechercheteams geführt. Am Montag hätte die Recherche als Doppelseite in der Frankfurter Rundschau erscheinen sollen. Die Recherche enthält die Aussagen mehrerer junger Frauen, die Reichelt als Chef sexuell bedrängt haben soll. Angeblich wurden Frauen, die sich auf Reichelt einließen, von ihm beruflich gefördert. Wegen ähnlicher Vorwürfe wurde Reichelt bereits im März gerügt und ihm eine Chefredakteurin zur Seite gestellt. Zugleich spielte der Vorstandsvorsitzende des Springer Verlages Mathias Döpfner die Vorwürfe herunter. Als Grund dafür, dass Reichelt damals nicht entlassen wurde, berief sich Döpfner auch ausdrücklich auf Reichelts Verdienste um die Bild Zeitung. Die Recherche mit den neuen Vorwürfen, wurde dann am Sonntag aufgrund einer Intervention des Verlegers Dirk Ippen kurz vor Veröffentlichung gestoppt. Ippen nannte hierfür keine journalistischen oder rechtlichen Gründe, sondern einzig, dass es nicht so aussehen solle, als greife er mit dem Artikel einen Konkurrenten an. Ippen verfügt über die fünftgrößte Zeitungsgruppe Deutschlands. Dazu gehören neben vielen anderen der Münchner Merkur und die Frankfurter Rundschau. Die Investigativgruppe antwortete mit einem Protestschreiben und veröffentlichte ohne Erlaubnis ihres Verlegers einen Artikel zu dem Thema bei Spiegel online. Zusätzlich äußerten sich Juliane Löffler, Katrin Langhans, Marcus Engert und Daniel Drepper in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau kritisch zu dem Eingreifen Ippens. Welche Folgen dies für ihre berufliche Zukunft haben wird, wissen sie nicht. Das gleiche gilt natürlich für die Kolleg*innen von der Rundschau, die ihnen dieses Interview ermöglicht haben.

 

In dem Interview erklären sie auch, warum Zeuginnen zögern und lieber anonym bleiben wollen. Es gäbe im solchen Fällen Bedenken auf der juristischen, der beruflichen und der persönlichen Ebene. Frauen, die von einem Missbrauch berichten, würden von der Gegenseite in vielen Fällen natürlich angegriffen und es käme häufig zu einer Opfer-Täter-Umkehr. Es sei ohnehin sehr schwer über solche Themen zu sprechen und dann auch noch zu erfahren, dass einem die Öffentlichkeit oder die Justiz nicht glaube, sei wahnsinnig schlimm für die Frauen. Das Veto des Verlegers habe zu weiterer Verunsicherung geführt, weshalb eine Veröffentlichung trotz des Vetos in der Frankfurter Rundschau nichtmehr möglich gewesen sei.

 

Indessen hat sich das Blatt jedenfalls für Reichelt bereits gewendet. Nach der Veröffentlichung einer ähnlichen Recherche durch die New York Times hat der Springer Verlag Reichelt mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden, weil neue Erkenntnisse nun vorlägen. Reichelt habe sich nicht an Abmachungen gehalten und nicht die Wahrheit gesagt. Kommentare in anderen Medien wiesen auch darauf hin, dass der Springer Verlag derzeit versucht massiv in den USA zu expandieren und deshalb um seinen Ruf ebenda fürchten muss. Wie es aussieht scheint das mit dem Ruf in Deutschland nicht so schlimm zu sein. Springer will aber auch weiter gegen diejenigen vorgehen, die den Fall aufgedeckt haben, bzw. eventuell auch gegen ihre Quellen. In der Erklärung zur Entlassung Reichelts heißt es wörtlich: „Gleichzeitig leitet das Unternehmen rechtliche Schritte gegen Dritte ein, die versucht haben, die Compliance-Untersuchung vom Frühjahr mit rechtswidrigen Mitteln zu beeinflussen und zu instrumentalisieren, offenbar mit dem Ziel, Julian Reichelt aus dem Amt zu entfernen und BILD sowie Axel Springer zu schädigen.“ Ende des Zitates.