Stellungnahme von RDL zur digitalen Zukunft des Radios: Frei, Anonym, Kostenlos!

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Die Zukunft des Radios wird gerade intensiv diskutiert. Neben der Verbreitung über DAB+ (und möglicherweise weiterhin über analoges UKW) wird auch der ab ca. 2020 geplante neue Mobilfunkstandard 5G ins Spiel gebracht, ja geradezu gehypt. Bedenklich an Radio über 5G ist, dass Grundprinzipien des öffentlichen Rundfunks und einer demokratisch verfassten Öffentlichkeit dadurch bedroht wären.

Rundfunk muss unidirektional bleiben

Klassischer Rundfunk wie UKW folgt dem Prinzip ‚Sender an Empfänger‘. Es gibt keine Kommunikation in beide Richtungen, ein Rückkanal existiert nicht. Beim IP-basierten Internetradio fließen hingegen verschiedene Daten an Internet-Provider zurück, z.B. persönliche Daten, Hördauer und nicht zuletzt die Information, welches Radioprogramm gehört wurde. Um weiterhin eine freie und unkontrollierte Meinungsbildung zu ermöglichen, muss der Hauptverbreitungsweg der Programme auch in Zukunft unidirektional bleiben, etwa durch UKW oder DAB+. Demokratie hat als Voraussetzung, dass die Öffentlichkeit Medieninformationen frei nutzen kann. Davon kann aber nicht mehr die Rede sein, wenn Rundfunkprogramme zu einem Großteil nur kostenpflichtig (Mobilfunkvertrag) und/oder durch die Preisgabe persönlicher Daten (über SIM-Karte, GPS, etc.) empfangbar wären. Gerade in Zeiten in denen Konzerne wie Facebook, Apple und die Deutsche Post AG in Wildwestmanier mit persönlichen Daten umgehen, wäre das sehr bedenklich.

Filterblasen durch personalisiertes Radio

Der 5G-Standard eröffnet durch personalisierte Radioangebote neue Vermarktungsmöglichkeiten. Viele Radiosender dürften gerade auf solche interaktive, individuell und flexibel zugeschnittene Angebote für 'Kunden' setzen, statt in erster Linie auf ein lineares Hörfunkprogramm für klassische Hörer*innen. Beides soll als Kombination 'bewährter Rundfunkdienste mit der Flexibilität und Individualität interaktiver Mobilfunkdienste in einem System' (Institut für Rundfunktechnik 2017, zit. n. Goldmedia-Studie, S. 49) die Attraktivität für die Veranstalter ausmachen. Bedenklich daran ist, wie damit die Ausdifferenzierung der Öffentlichkeit in weitere Teilöffentlichkeiten, bis hin zu Filterblasen und medialen 'Parallelgesellschaften' noch verstärkt wird.

5G-Hype ohne Grundlage

Bei der terrestrischen digitalen Verbreitung galt DAB+ lange als wichtigste Nachfolgetechnik für UKW, mittlerweile forcieren interessierte Kreise den Gedanken, dass DAB+ nur eine Brückentechnologie darstellen könnte. Der künftige Mobilfunkstandard 5G wird gehypt, trotz der Möglichkeit bereits jetzt im LTE-Mobilfunk-Standard auch Rundfunkprogramme im Multicast zu verbreiten. Er rückt vor allem bei netzaffinen Medienpolitiker*innen zunehmend in den Fokus und wird als Alternative zu DAB+ ins Feld geführt. Da ohnehin das Mobilfunknetz ausgebaut werden muss und potentielle Endgeräte wie Tablets oder Smartphones eine hohe Marktdurchdringung haben, erscheint der Ausbau von DAB+ in ihren Augen als umständliche Zusatzinvestition. 5G soll in Deutschland 2020 eingeführt werden. Verbunden sind damit Investitionen in Milliardenhöhe, insbesondere wird ein dichteres Netz an Sendemasten benötigt. Ob eine Verbreitung von Radiosignalen bzw. Streaming über 5G gegenüber DAB+ tatsächlich wirtschaftlicher ist, kann bezweifelt werden. Insbesondere wenn es um die unprofitable Abdeckung von bevölkerungsschwachen Gegenden geht. Hier hat DAB+ mit größeren Reichweiten eindeutig die Nase vorn. Zudem kann DAB+, anders als Radio als reines Streamingangebot, auch in Spitzenzeiten ungehindert genutzt werden. Die EBU schätzt die jährlichen Kosten für ein nationales IP-basiertes Radioangebot über Mobilfunk auf 8,3 Millionen Euro (bei einer täglichen Verweildauer von 1,5 Stunden)!

'Free to Air'-Option als Alternative zu Streaming?

Das globale Standardisierungsgremium zu Mobilfunk '3GPP' stellte im August 2017 die Weiterentwicklung technischer Möglichkeiten vor, die auf eine möglichst anonyme Nutzung von 5G-Radio abzielen. Für Geräte ohne SIM-Karte und Mobilfunkvertrag könnte über ‚Standalone downlink only‘ (SDO) ein Receive-Only-Mode (ROM) mit Free-to-Air Services ermöglicht werden (http://www.3gpp.org/release-14). Diese Option könnte eine Rückkehr zu klassischem Rundfunk über Smartphone bedeuten, müsste aber noch getestet werden. Auch stellt sich die Frage, ob dafür nicht eigene Frequenzen reserviert werden müssten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Bundesnetzagentur beabsichtigt die 700 Mhz-‚Mittenlücke‘ bei der Bedarfsermittlung für die Zuteilung der 5G-Mobilfunkfrequenzen erst später bereitzustellen. Diese Verschiebung könnte genutzt werden, um in der Mittenlücke 5G-basierte Rundfunksysteme im SDO-Modus zu testen.

Abgesehen von diesen noch zu testenden Möglichkeiten ist festzuhalten, dass DAB+ die bessere Verbreitungstechnik darstellt, sie erlaubt größere Reichweiten als 5G, ist kostengünstiger als IP-Radio und benötigt auch weniger Sendestandorte. Vor allem bietet DAB+ weiterhin eine unidirektionale Verbreitung. Auch die ARD unterstreicht die Bedeutung „anonymer und kostenfreier Nutzung ohne Volumenbegrenzung“ bei DAB+. (Goldmedia-Studie, S.49)

Anhang:

Links der EBU zu 5G:

 

3GPP zu Release 14 - Standalone downlink only (SDO), Receive-Only-Mode (ROM)

 

Goldmedia-Gutachten (im Auftrag der LFK) zur Ausgestaltung der Lokalen Hörfunklandschaft in Baden-Württemberg 2025:

Folien von LFK-Veranstaltungen zu 5G: