EU-Kommission öffnet Tore für Gen-Technik

EU-Kommission öffnet Tore für Gen-Technik

Die EU-Kommission hat heute die bereits zuvor geleakten neuen Regeln für Gen-Technik veröffenticht. Diese Version unterscheidet sich gegenüber der geleakten nur unwesentlich. Die EU-Kommission versucht damit offensichtlich europaweit die Tore für die ungehemmte Ausbreitung der Gen-Technik zu öffnen. Beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) leuchten - so dessen aktuelle Stellungnahme - "alle Alarmsignale".

Haupteinfallstor stellt die von der EU-Kommission beabsichtigte "Deregulierung" bei den neuen gentechnischen Verfahren wie CRISPR-Cas dar. Demnach werden Kennzeichnungspflichten, Sicherheitskontrollen und jegliche Art von Haftung abgeschafft. Wenn dies nicht verhindert wird, haben LandwirtInnen, LebensmittelproduzentInnen und letztendlich VerbraucherInnen keine Möglichkeit mehr zu wissen, ob Lebensmittel, die sie anbauen, herstellen oder essen, neuartige genmanipulierte Konstrukte enthalten oder nicht. Eine solche Mrschrichtung der EU-Kommission war bereits im vergangenen Dezember erkennbar (Siehe hierzu unseren <a href="gencri221228.html" target=_blank>Artikel v. 28.12.22</a>).

Dabei basiert der aktuelle Vorstoß der EU-Kommission laut BUND auf den leeren Versprechungen der Industrie zu genmanipulierten Produkten (Siehe hierzu unseren <a href="genpes230609.html" target=_blank>Artikel v. 9.06.23</a>). In der Folge würden nicht nur die EU-BürgerInnen entmündigt, sondern auch der ökologische Umbau der Landwirtschaft, insbesondere der Ausbau der Bio-Landwirtschaft, erschwert.

Die Einordnung der GVO in in Kategorie 1 oder 2 anhand der Anzahl geänderter Basenpaare ist aus Sicht unabhängiger WissenschaftlerInnen und auch des deutschen Bundesamtes für Naturschutz wissenschaftlich nicht nachvollziehbar. Damit steht der Kern dieser Bestrebungen in Frage.

Das bedeutet die Deregulierung im Detail:

  •     Keine Risikoprüfung für den Großteil neuer genmanipulierter Pflanzen und anderer Konstrukte (GMK).
  •     Damit einhergehend ist die Freisetzung ungeprüfter neuer GMK in die Natur und Aussetzung des Vorsorgeprinzips. Es gibt noch keine Bewertung der direkten und indirekten Auswirkungen des Anbaus neuer GMK. Es wurden beispielsweise keine Untersuchungen darüber durchgeführt, welche Auswirkungen neue GMK auf Bienen und anderen Bestäuber-Insekten haben werden oder wie der Anbau von GMK den Verlust der biologischen Vielfalt beschleunigen kann.
  •     Keine verpflichtende Kennzeichnung für die meisten neuen genmanipulierten Pflanzen
  •     Das ist die die tatsächliche Abschaffung der Wahlfreiheit für VerbraucherInnen und des Rechts auf Information, wie es in den europäischen Verträgen sowie im allgemeinen Lebensmittelrecht der EU verankert ist. Durch den Ausschluß neuer GMK von der Kennzeichnungspflicht können VerbraucherInnen die gesamte Lebensmittelkette nicht mehr nachverfolgen. Das betrifft das Saatgut, die Zutaten und die Lebensmittelendprodukte.
  •     Zulassungserleichterungen für angeblich besonders nachhaltige Produkte sind angekündigt, aber noch nicht definiert und können somit Schlupflöcher eröffnen.
  •     Die EU-Mitgliedsstaaten müssen Regeln umsetzen
  •     Es gibt keine Möglichkeit für einzelne Staaten, den Anbau neuer GMK auf ihrem Territorium zu verbieten (Opt-Out). Seit 2015 haben bereits 17 Regierungen den Anbau von GMK verboten.
  •     Koexistenz der konventionellen, biologischen oder gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft nicht gesichert
  •     Der Vorschlag verweist die Verantwortung für die Sicherung der Vielfalt der Anbauformen an die einzelnen Mitgliedsstaaten.
  •     Benachteiligung der konventionellen oder ökologischen Landwirtschaft ohne Gentechnik
  •     Der EU-Vorschlag schafft grundlegende Verantwortlichkeiten für die Gentech-Industrie ab, wie z.B. die Bereitstellung einer Testmethode für jedes neue GMK. Zudem will die Europäische Kommission die Kosten für die Testmethoden denjenigen überlassen, die neue GMK vermeiden wollen, und die öffentlichen Anbauregister abschaffen.
  •     Keine neue Regeln zu Patenten
  •     Zu Patenten – also der Frage, wer in Zukunft den Zugriff auf die Grundlagen unserer Lebensmittelerzeugung hat – gibt die Kommission keine Antwort.

Naturland-Präsident Hubert Heigl sieht den Schutz von VerbraucherInnen und LandwirtInnen zugunsten der Interessen der Saatgut-Industrie geopfert. Zudem werde der umfangreichen Patentierung von Pflanzeneigenschaften durch die Agrarindustrie damit "Tür und Tor geöffnet". Auch Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sieht in der angeblich neuen Gentechnik "vor allem das Werkzeug zur Patentierung von Pflanzen und damit zur Schaffung neuer Abhängigkeiten der gesamten Lebensmittelwirtschaft von den Gentechnik-Konzernen." Für Jan Plagge, Präsident von Bioland ist das Regelwerk "eine Zäsur und der gefährliche Abschied vom lange gelebten Vorsorgeprinzip". Die EU habe sich damit von den wichtigsten Instrumenden des Gentechnikrechts verabschiedet: "Risikoprüfung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung - Diese wichtigen Instrumente des Gentechnikrechts gibt die EU-Kommission auf, zugunsten eines laschen Regelwerks, das vor allem den Agrochemie-Konzernen gefallen dürfte", so Plagge weiter.

Christoph Then vom Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie (Testbiotech) sieht den Vorschlag zur Deregulierung im Widerspruch zur Wissenschaft. Er kritisiert die Kriterien anhand deren die Unterscheidung der Kategorien durchgeführt werden sollen als willkürlich: "Grundsätzlich erscheinen die vorgeschlagenen Kriterien zufällig, unklar und im Detail schwer interpretierbar."

Und Umweltorganisationen von BUND über Greenpeace bis DNR kritisierten einhellig den Vorstoß der Kommission. Mit Blick auf mögliche Effekte bei der Ausbringung genmanipulierter Organismen in die freie Natur kommentierte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne: „Wir haben bislang völlig unzureichende Erkenntnisse, welche Auswirkungen die Anwendung neuer gentechnischer Verfahren auf unsere Ökosysteme hat. Auch Versprechungen seitens der Industrie, mit diesen Verfahren könne man dem Klimawandel entgegenwirken, sind bei weitem nicht belegt."