Diesel-Gate: Kretschmann in den Knast? | DUH klagt auf Beugehaft

Diesel-Gate: Kretschmann in den Knast? | DUH klagt auf Beugehaft

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat die baden-württembergische und die bayerische Landesregierung verklagt, weil sie Gerichtsurteile schlichtweg ignorierten. So weigerte sich etwa der pseudo-grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann, ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart aus dem Juli 2017 über flächendeckende Fahrverbote gegen Diesel-Autos umzusetzen. Am morgigen Dienstag geht es vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) um diese Klage und darum, ob Urteile deutscher Gerichte notfalls per Beugehaft gegen Landesregierungen durchgesetzt werden können.

...oder ob sich die Exekutive über Recht und Gesetz stellt. In einer Pressemitteilung erklärt es die DUH für eher unwahrscheinlich, daß Kretschmann nach einem für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen positiven Urteil des EuGH inhaftiert werden könnte. Es sei ein "hypothetischer Fall", daß sich ein Ministerpräsident weigern würde, ein Urteil des EuGH anzuerkennen. Kretschmann würde demnach "im letzten Moment" per Unterschrift unter die entsprechende Verfügung das jeweilige rechtskräftige Urteil korrekt umsetzen und wäre dann nicht mehr von Haft bedroht.

Um den "hypothetischen Fall" dennoch durchzuspielen, erläutert die DUH, daß der EuGH vermutlich nicht vorgeben werde, gegen wen das zuständige deutsche Gericht eine Beugehaft verhängt. In Baden-Württemberg wäre dies der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim. Denn in dieser Provinz-Posse gab es bereits mehrere Akte. Nachdem die baden-württembergische Landesregierung das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom Juli 2017 ignorierte, verhängte das VGH zweimal Zwangsgelder gegen die Exekutive - zuerst im September 2018 und nochmals im Juli 2019. Für Recht befunden wurde dies nicht nur von der nächsthöheren Instanz, dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim - auch das Bundesverwaltungsgericht mit Sitz in Leipzig bestätigte das Urteil vom Juli 2017.

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim würde sodann die Auswahl treffen müssen, gegen wen die Beugehaft verhängt wird. Dabei müsse sich der VGH daran orientieren, wer welche Weisungen zur Nichtumsetzung des Urteils erteilt hat. Da davon auszugehen ist, daß eine derart weitreichende Entscheidung durch den Ministerpräsidenten getroffen wurde, liefe es also auf Winfried Kretschmann hinaus. Witzig ist zudem, daß der Ministerpräsident niemanden abstellen kann, um für ihn stellvertretend die Beugehaft - bis zu sechs Monate - abzusitzen. Denn aus juristischer Sicht ist der Sinn einer Beugehaft, den Willen des Betroffenen dahingehend zu verändern, daß das Urteil erfüllt wird. Auch eine Kaution ist nicht möglich. Kretschmann müßte allerdings nicht unbedingt die vollen sechs Monate absitzen. Er kann sich jederzeit dazu entscheiden, das Urteil zu erfüllen - und sobald er die Bedingungen erfüllt, wird er aus der Haft entlassen. Da Kretschmann als seinen Wohnsitz Sigmaringen angibt, wäre die Justizvollzugsanstalt Konstanz für ihn zuständig.

In Bayern hatte die DUH bereits 2012 vor dem Verwaltungsgericht München ein rechtskräftiges Urteil erstritten, laut dem die bayerische Landesregierung (in Bayern nennt sie sich "Staatsregierung") verpflichtet ist, den Luftreinhalteplan für die bayerische Landeshauptstadt so zu ändern, daß die Stickoxid-Werte "schnellstmöglich" eingehalten werden. Doch die Landesregierungen unter Horst Seehofer und seinem Nachfolger Markus Söder blieben im Dienste von VW, Porsche, BMW, Daimler & Co. untätig. Es gab keine Diesel-Fahrverbote und auch keinerlei andere Maßnahmen, um die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte einzuhalten. Auch in Bayern verhängten die Gerichte fröhlich Zwangsgeld-Androhungen und Zwangsgeld-Festsetzungen. Und die Exekutive in Bayern zahlte das Zwangsgeld, das damit lediglich von einem Haushaltsposten Bayerns in einen anderen wanderte.

Und die deutschen RichterInnen lamentierten in ihrem Ersuchen an ihre KollegInnen in Luxemburg ganz offen, bei den Zwangsgeld-Zahlungen handele es sich lediglich um eine Umbuchung "von einer Buchungsstelle innerhalb des Staatshaushalts zu einer anderen Buchungsstelle innerhalb des Staatshaushalts" weshalb sie nicht mit "Vermögenseinbußen" einhergingen und selbst bei höheren Beträgen keine "nennenswerte Beugewirkung" entfalteten. Die Weigerung einer Regierung, ein Gerichtsurteil umzusetzen, betreffe auch grundsätzliche Fragen der Rechtsstaatlichkeit und des EU-Rechts. Die "Nichtbefolgung rechtskräftiger Entscheidungen durch die öffentliche Gewalt" sei "auch mit dem Recht der Europäischen Union unvereinbar".

Zum ernsthaften Hintergrund der Provinz-Posse:

Schon im September 2014 hatte der 'spiegel' Ergebnisse einer US-amerikanischen Untersuchung veröffentlicht und berichtet, daß die Software zur Motorsteuerung bei einigen Diesel-Typen aus dem Hause VW erkennt, "wenn sich das Auto auf einem Rollenprüfstand befindet, und daraufhin in einen optimierten Testmodus" schaltet.

Das 'Handelsblatt' berichtete im Oktober 2014 mit Bezug auf dieselbe Untersuchung, daß "seit einem Jahr" jeder Bescheid gewußt habe. Und offenbar wußte der damalige EU-Kommissar Antonio Tajani schon Mitte 2012 aufgrund einer Information durch einen Manager eines Zulieferers für die Autoindustrie, daß etliche Autohersteller die Abgaswerte von Fahrzeugen in Zulassungstests elektronisch manipulieren.

In der US-amerikanischen Untersuchung war 2014 festgestellt worden, daß die VW-Fahrzeuge Jetta VI und VW Passat einerseits unter Testbedingungen auf einem Prüfstand des California Air Resources Board (CARB) die US-amerikanischen Abgas-Grenzwerte einhielten - andererseits aber unter realen Fahrbedingungen die Stickoxidwerte um ein Vielfaches überschritten. Im Jahr 2015 wurden nach und nach immer mehr Informationen publik, die belegen, daß auch Diesel-Fahrzeuge der Hersteller Daimler, BMW und Mazda mit Betrugs-Software ausgestattet sind. Im Juli 2017 erreichte Diesel-Gate auch Porsche. Mittlerweile ist bewiesen, daß so gut wie alle Autohersteller tricksen, täuschen und betrügen, um ihre Diesel-Fahrzeuge als sauber darzustellen.

Und weil die Bundesregierung die Automobil-Konzerne gewähren läßt und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die Hände in den Schoß legt, hat die DUH im Herbst 2015 damit begonnen, selbst nachzumessen und im Frühjahr 2016 das DUH-eigene Emissions-Kontroll-Institut EKI gegründet. Bilanz: Im realen Fahrbetrieb werden die gesetzlichen Grenzwerte durchweg um ein Vielfaches überschritten. Selbst moderne Euro-6-Fahrzeuge verursachen so viele Schadstoffe, daß sie nach geltendem Recht gar nicht auf deutschen Straßen fahren dürften.

Es werden allerdings wohl noch etliche Monate ins Land gehen, bevor der EuGH in Luxemburg sein Urteil in dieser Sache fällt. Und bei diesem Urteil müssen die fünfzehn RichterInnen auch ein eigenes Urteil von 2014 berücksichtigen, nach dem die Gerichte der EU-Staaten verpflichtet sind, "jede erforderliche Maßnahme zu erlassen", um die Einhaltung der europäischen Luftreinhalte-Richtlinie sicherzustellen.