Rezension: Die Venezianische Verschwörung von Matteo Strukul

Die Venezianische Verschwörung von Matteo Strukul

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Rezension: “Die Venezianische Verschwörung”. Ein historischer Kriminalroman von Matteo Strukul. Goldmann Verlag 2024

rezensiert von Hardy Vollmer - Radio Dreyeckland Freiburg - März 2024

„Arbeiten wir alle zusammen, um die Wahrheit herauszufinden, was auch immer sie sei“, so lautet der Schwur, den der jüdische Arzt, der englische Kunsthändler und der Maler Antonio Canal, genannt Canaletto, bekräftigen. Zuvor hatten sie bei der Untersuchung  einer Leiche einen in die Haut geritzten, stilisierten Löwenkopf entdeckt. „Das kann nur eins bedeuten“, betonte Canaletto, „Die Serenissima ist in Gefahr“.

Mit dieser dramatischen Beschreibung gelingt es dem Autor Mateo Strukul in seinem neuen Roman: „Die venezianische Verschwörung“, die Leserinnen und Leser sofort zu fesseln.  „Die Serenissima in Gefahr“. Wir werden als Lesende sofort hineinversetzt in das Milieu des Venedig des Barock. Und das bedeutet : Es geht um Geheimbünde, Verschwörungen, dunkle Kanäle  und Mord.  Und wer hat uns das Venedig dieser Zeit am plastischsten vor Augen geführt, das betriebsame Leben auf den Kanälen, die glitzernden Paläste, das tagtägliche Treiben in den Gassen dieser umtriebigen Stadt? Niemand anderes als der Maler Antonio Canal, genannt Canaletto.


Es ist daher ein genialer Einfall des Autors Mateo Strukuls, eben jenen Canaletto zur Hauptperson und zum Amateurdetektiv in den grauslichen Ereignissen der „Venezianischen Verschwörung“ zu machen. Wer anderes als Canaletto kann mit seinem geschulten Blick, die Einzelheiten verbrecherischen Treibens, das sich an den Kanälen abspielte, am Besten erfassen?

Aber gerade diese realistische ja fast photographische Betrachtungsweise, die er für seine Malerei verwendet, wird ihm zunächst zum Verhängnis. Gerade sein berühmtes Bild „il Rio del Medicanti“ bringt ihn in die „Camera del Tormenti“, den Saal der Qualen, direkt unter die “raubvogelartigen Augen” des Staatsinquisitors. Dieser wirft ihm zunächst vor, an den verschwörerischen Aktivitäten des Komponisten Vivaldi beteiligt zu sein, was Canaletto entsetzt von sich weist, ist er doch nur der Bühnenmaler. Schlimmer wird es aber dann noch, als der Inquisitor in fragt, warum er ausgerechnet diesen Kanal gemalt hat, wo vor kurzem eine bildhübsche Frau, entstellt durch eine aufgeschlitzte Brust und mit herausgerissen Herzen gefunden wurde.  Canaletto bricht zusammen, sieht er doch sein Leben in den Bleikammern Venedigs enden. Aber es kommt anders. Der Inquisitor entlässt ihn unter wüsten Drohungen und Einschüchterung, niemals wieder solche Bilder zu malen.  
Canaletto verlässt verwirrt den Saal der Qualen, um nur noch verwirrter zu werden, weil er direkt zum Dogen von Venedig vorgeladen wird. Auch hier dreht es sich wieder um dieses vermaledeite Bild. Nur will der Doge jetzt wissen, wieso er die drei verschwörerisch aussehenden Männer am Rande des Kanals gemalt hat. Sie wären halt Tag für Tag, als er an der Ausgestaltung des Bildes saß, dagewesen. Deshalb gehören sie auf das Bild, entgegnet Canaletto störrisch. Gut, antwortet der Doge. Dann hat er einen Auftrag. Der berühmte Maler soll doch die Zeit nutzen, die er auf Motivsuche durch Venedig streift, um herauszufinden, ob die drei weiterhin zusammenkommen, wohin sie gehen und was sie sonst noch so treiben. Und was der Maler dann herausfindet, soll er nur dem Dogen und sonst niemand berichten. Dabei hat Canaletto freie Hand, er steht unter dem Schutz des Dogen. Antonio Canal weiß, einem Dogen widerspricht man nicht. 
Die Zeit , die uns Matteo Strukul vor Augen führt, ist ein Venedig im Umbruch. Die Serenissima sitzt längst nicht mehr fest im Sattel. Seit Jahren streiten sich die führenden Familien um die Herrschaft in Venedig. Der Geist der Verschwörung und des Aufruhrs liegt in der Luft. Zudem grassiert die Pest. Als sich dann zeigt, dass wahrscheinlich ein Serienkiller umgeht, wird die Volksseele zum Kochen gebracht. Schuldige werden gesucht und man meint sie gefunden zu haben. Wiedermal, wie so oft in der Geschichte, werden  Menschen jüdischen Glaubens fälschlich verdächtigt und mit dem Leben bedroht. 
Canaletto weiß, dass er unter diesen Umständen den Auftrag des Dogen nicht alleine lösen kann. Der englische Kunsthändler führt ihn in die düsteren Katakomben der Verschwörungsideologien und des Aberglaubens und gemeinsam mit dem jüdischen Arzt, gelingt es, den perfiden Plan, das Ghetto von Venedig wieder für alles verantwortlich zu machen, zurückzuschlagen.  Nebenbei wird auch noch der Doge und Canalettos große Liebe gerettet. Aber ich kann schon verraten, das ist nicht das Ende der Geschichte.
Matteo Strukul schreibt in einem routinierten Stil, der die Lesenden gut in die Erzählung hinein nimmt. Er hat ja auch Erfahrung im Schreiben historischer Romane. Sein mehrbändiger Zyklus über die Geschichte der Familie Medici beweist es. Sein Roman “Die venezianische Verschwörung” bringt nun zu der Darstellung historischer Ereignisse auch noch Grusel und Spannung, was noch zusätzliches Lesevergnügen bringt.