Der Kampf um das Strom-Netz hat begonnen

Der Kampf um das Strom-Netz hat begonnen

Der
Strom-Konzern EnBW versucht mit einem neuen Konstrukt, einer "gemeinsamen
Netzgesellschaft", die Kontrolle über das Strom-Netz in der Hand zu
behalten. Bereits heute sollte es im Hau-Ruck-Verfahren und mit Gänbsebraten
für die Bürgermeister durchgesetzt werden. Ende September hatte der
Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem aufsehenerregenden Urteil1 dem Oligopol
der Großen Vier auf dem deutschen Strom-Markt einen schweren Schlag versetzt.
Nach diesem Grundsatzurteil bleiben die Strom-Konzerne nicht die Eigentümer des
Strom-Netzes, wenn ein neuer Anbieter die Konzession erhält. Damit wird die
Machtbasis der Großen Vier, RWE, E.on, Vattenfall und EnBW, untergaben und
Dezentralisierung gefördert.


Das
Konstrukt der "gemeinsamen Netzgesellschaft", das EnBW auf die
Schnelle aus dem Hut zauberte, sieht vor, daß EnBW ihr Strom-Netz in eine GmbH
&Co.KG einbringt, an der sie selbst mit 49 Prozent beteiligt ist. Den Rest
sollen sich die Kommunen (35,9 Prozent) und der Neckar-Elektrizitätsverband NEV
(15,1 Prozent) teilen. Über seinen Einfluß auf den NEV kann EnBW bei diesem
Modell auch in Zukunft nach Belieben im Strom-Netz schalten und walten und so
die eigene Machtbasis sichern - zumal von Vorneherein festgelegt ist, daß die
Vergabe der Betriebsführung des Strom-Netzes an EnBW erfolgen soll.

 

Der Wert
des Strom-Netzes soll 500 Millionen Euro betragen. Den im NEV zusammengeschlossenen
168 Gemeinden wird eine Rendite von 9,4 Prozent versprochen. Bei dieser
"gemeinsamen Netzgesellschaft" wären dann 168 Städte und Gemeinden
sowie neun Landkreise zwischen Heilbronn und Reutlingen beteiligt. Der
Metzinger Oberbürgermeister Ulrich Fiedler bemerkte sogleich, daß der Plan
offenbar mit "heißer Nadel" gestrickt sei.

 

Der
Schorndorfer Bürgermeister Matthias Klopfer kündigte heute (Freitag) bei einer
Zweckverbands-Sitzung in der Stauferlandhalle in Salach bei Göppingen an, das
neue Konstrukt der EnBW nicht ungeprüft zu akzeptieren. Der Gänsebraten, den
EnBW bei dieser Sitzung den Bürgermeistern auftischte, scheint seine Wirkung
auf Klopfer verfehlt zu haben. Atomkraftgegner Klopfer fragt, warum er bei
einem Unternehmen mitmachen sollte, an der Schorndorf 0,18 Prozent hält, die
atomlastige EnBW aber 49. Sein Einfluß tendieren dann gegen Null. Auch ein
bereits vorliegendes Gutachten der NEV, verspreche Vieles, lasse noch mehr im
Vagen und lege zugleich einige wichtige Punkte fest, die nach Ansicht Klopfers
offen bleiben müßten.

 

Klopfer
ließ das NEV-Gutachten durch die Stuttgarter Kanzlei Wahle prüfen. Das Ergebnis
ist vernichtend. Das Vorgehen, urteilen die renommierten Juristen, könne sich
als "vorsätzlicher Verstoß" gegen gültige Gesetze darstellen.
Zentraler Kritikpunkt: die geplante Vergabe der Betriebsführung an die EnBW,
die damit weitere 20 Jahre darüber befinden könnte, wie das Kernland
Württembergs mit Strom versorgt wird. Daß es dafür einer europaweiten
Ausschreibung bedarf, haben die NEV-Gutachter offenbar übersehen.

 

Eine
ganze Reihe von Bürgermeistern, die sich anscheinend an alte Seilschaften nicht
mehr gebunden fühlen, haben sich bereits dem Schorndorfer Bürgermeister
angeschlossen: Christof Bolay (Ostfildern), Ulrich Fiedler (Metzingen), Jürgen
Kessing (Bietigheim-Bissingen), Michael Makurath (Ditzingen) und Roland Klenk
(Leinfelden- Echterdingen). Sie eint dasselbe Ziel und dasselbe
Selbstbewußtsein: die Autonomie bei der Energie und die Distanz zur EnBW. Immer
stärker macht sich ein Paradigmenwechsel bemerkbar: Weg von unbeweglichen
Zentralstrukturen und hin zu einer flexiblen, eigenständigen und dezentralen
Energieversorgung. Klopfer setzt auf sein Regionalwerk Rems, Fiedler auf sein
Regionalwerk Ermstal und Bolay auf sein Regionalwerk Filder. Die jungen
Bürgermeister sprechen von Arbeitsplätzen und Gewinnen vor Ort, von einer
umweltschonenden und nachhaltigen Daseinsvorsorge und überzeugen damit immer
mehr Menschen. Das zeigt das Beispiel Albwerk in Geislingen: Das genossenschaftlich
organisierte Unternehmen setzt auf Wind- und Wasserkraft, Fotovoltaik und
Biogas und macht 170 Millionen Euro Umsatz.