Trotz der massiven Repression gingen gestern die Proteste gegen den von Erdogan eingesetzten neuen Rektor der Bosporus-Universität, Melih Bulu weiter. Hunderte Studierende durchstießen eine Absperrung, um zum Amtssitz des Rektors vorzustoßen. Als besonders Geschenk an den neuen Rektor spielten sie ihm mit Hardrock-Musik auf und forderten gleichzeitig seinen Rücktritt. Bulu hatte in einem Interiew leichtsinnig erklärt, dass er diese Musik liebe. Mehrere hundert studierende zogen auch im Stadtteil Kadiköy am Bosporus entlang und skandierten „Schulter an Schulter gegen den Faschismus!“ In einer Erklärung forderten die Studierenden die Freilassung aller zuvor festgenommmenen Studierenden, den Rücktritt des neuen Rektors und die demokratische Wahl aller Rektor*innen durch die Universitäten. Denn seit drei Jahren haben die Universitäten selbst ihr kleines Mitspracherecht bei der Besetzung des Rektorats verloren. Alle Rektorenstellen werden vom Staatspräsidenten Tayyip Erdogan nach Gutdünken besetzt. Nach Medienberichten wird der neue Rektor nicht nur von den Studierenden, sondern auch vom akademischen Personal der Bosporus-Universität demonstrativ gemieden.

Auf erste Proteste gegen den neueingesetzten Rektor Anfang der Woche hatte der Staat mit einer Repressionswelle geantwortet. In zahlreichen Städten wurde nach Teilnehmer*innen eines Protests und eines Gerangels mit der Polizei gesucht. Filmaufnahmen der regierungsnahen Nachrichtenagentur DHA zeigen wie eine Antiterroreinheit in Kampfanzügen mit Schnellfeuergewehren im Anschlag ein Wohnhaus stürmt. Offenbar sollen die Bilder dem Publikum den Eindruck vermitteln, bei den Studierenden, die gegen den Rektor demonstrieren handele es sich im Grunde um gefährliche Terroristen. Wenn die Aufnahmen darüberhinaus die Studierenden einschüchtern sollten, so wurde dieser Zweck nicht so ganz erreicht.

Siehe auch Bericht vom Vortag.